Die Hamburger Rockband Fotos stellt auf dem Reeperbahn-Festival in der großen Freiheit 36 ihr neues Album “Porzellan“ vor.

St. Pauli. Glamourös ist das Leben der Fotos nicht gerade. Immerhin hat die Band um den Sänger Tom Hessler in der vergangenen Woche das dritte Album mit dem Titel "Porzellan" veröffentlicht, doch einen eigenen Busfahrer oder einen Roadie, der bei Konzerten die Anlage aufbaut, kann das Hamburger Quartett sich noch nicht leisten. "Wir sind froh, dass wir wieder ein Album fertig bekommen haben. Wenn wir auf Tour sind, heißt es immer noch: Bus ausladen, aufbauen, spielen, Bus wieder beladen, dann ein paar Stunden Schlaf und weiter in die nächste Stadt."

"Porzellan" heißt der Eröffnungssong. Ein passender Titel, findet Hessler, weil es den Sound der Band und die Stimmung des gesamten Albums gut beschreibt: "Porzellan ist elegant, es ist steinig, aber auch bröselig. Es hat etwas Zerbrechliches, aber auch etwas Kaltes. Man assoziiert eine Vase und vielleicht auch Klang." Allerdings geht es in dem Song nicht um edles Geschirr, sondern um ein Mädchen mit einem porzellanenen Gesicht. Entstanden ist der Song aus einem Albtraum, den Hessler während einer Tournee mit dem Goethe-Institut durch Mexiko hatte. Damals war er drei Wochen lang von Durchfall geplagt, hatte Fieber und erlebte einen Traum, in dem er diesem Mädchen begegnete, das Cello spielte und dessen Gesicht immer mehr zur beängstigenden Fratze versteinerte.

Das neue Album wurde in einem leeren Bunkerraum aufgenommen

Obwohl "Porzellan" das dritte Album der Fotos ist, kommt es Hessler wie das zweite vor. "Nach dem Goldrausch" mussten sie unter großem Druck fertigstellen, weil ihre Plattenfirma Labels vom EMI-Konzern abgewickelt werden sollte. "Mit dem neuen Album wollten wir korrigieren, was vor zwei Jahren nicht gut gelaufen ist. Gefühlt ist 'Porzellan' unser zweites Album." Aufgenommen wurde es in einem Studio in Bochum und in einem leeren Raum im Bunker an der Feldstraße, der besonders hallte. Die Fotos beziehen sich in ihren neuen Songs musikalisch auf sehr unterschiedliche Bands wie die Düsterrocker von Cure oder Krautrock-Combos der 70er-Jahre.

Die Texte sind dunkel und reflektieren das selbstzerstörerische Leben

Auch die Texte sind eher dunkel und rühren aus einer hedonistischen Phase in Hesslers Leben, als er sich die Nächte um die Ohren schlug und viel Drogen und Alkohol konsumierte. "Raben" reflektiert dieses selbstzerstörerische Leben ebenso wie "Wasted" oder "Ritt", der in einer naiven Sprache einen Drogentrip beschreibt. Auch Depressionen und Angst kommen in Hesslers Texten vor. "Mauer" beginnt wie eine Arbeiterhymne aus dem sozialistischen Realismus, bekommt dann aber eine radikale Kehrtwendung und handelt von der Mauer, die jemand um sich baut, um sich von der Welt abzukehren.

Hessler und seine drei Kollegen werden die neuen Songs am 25. September beim Reeperbahn Festival live auf einer großen Bühne präsentieren, denn sie sind für die Große Freiheit 36 gebucht. Um 19.30 Uhr werden sie den Abend eröffnen, bevor dort anschließend Frank Turner, Fehlfarben und La BrassBanda auftreten.

Im Herbst sind die Fotos wieder im Auftrag des Goethe-Instituts unterwegs. Unter anderem reist die Band nach Indien und Indonesien. Ebenfalls anstrengende Trips ohne großen Luxus, aber mit großer Befriedigung für die vier Kulturbeauftragten in Sachen Rockmusik. Hessler: "Viele Zuschauer sehen dort zum ersten Mal, wie eine elektrische Gitarre eingestöpselt wird, und hören, wie sie klingt. Das ist für sie wie ein Urknall."

Reeperbahn Festival Do 23. bis Sa 25.9., Karten in allen Abendblatt-Ticketshops 59,- (3-Tage-Ticket), 45,- (2-Tage-Ticket), 29,- (Tagesticket); T. 30 30 98 98; www.reeperbahnfestival.com