Jan Garbarek und das Hilliard Ensemble verzauberten im Michel

Hamburg. Vier Sänger und ein Saxofon schlagen eine Brücke vom Mittelalter zum Jazz: Mit dieser Idee haben das Hilliard Ensemble und Jan Garbarek Mitte der 90er-Jahre einen sensationellen Crossover-Coup gelandet und Millionen Hörer verzaubert. Nun geht die Zeitreise weiter: Im schummrig beleuchteten Michel präsentierte das Erfolgsteam die Uraufführung seines aktuellen Projekts "Officium Novum", das zeitgleich auf CD erscheint.

Schon die ersten, leicht exotisch gefärbten Töne von Jan Garbarek deuten die Richtung an: Der norwegische Samt-Saxofonist und das britische Quartett blicken diesmal gen Osten, vor allem nach Armenien, wo die Hilliards unter anderem Werke des Komponisten Sogomon Komitas entdeckt haben. Seine melancholischen Weisen erwecken jahrhundertealte Melodien zu neuem Leben - und sind eine anregende Inspirationsquelle für Garbareks Improvisationskunst: Er schmiegt sich mitunter fast unmerklich in die warmen Vokalklänge ein, um dann aus den reizvoll fremdartigen Akkorden und Skalen seine eigenen Fäden zu spinnen, die allmählich über die Gesangsstimmen hinauswachsen und schließlich die ganze Kirche durchranken.

Unter diesem Gewebe aus sanft schwingenden Linien entsteht ein musikalischer Schutzraum von meditativer Ruhe. Kein Wunder, dass viele Zuhörer im ausverkauften Michel das rund 80-minütige Programm mit geschlossenen Augen genießen.

Nur kurz entlädt sich der subtile Spannungsbogen des Konzerts in einem eindringlichen, hell aufgleißenden Sopransaxofonsolo, und ein Pérotin-Stück bringt vorübergehend mehr Tempo und rhythmischen Drive. Doch dann kehrt das gleichmäßige Strömen zurück. Ganz langsam entschwinden die Musiker durch eine Altartür - wohl wissend, dass auch ihr neues Programm magische Kräfte entfalten kann.