Nach 14 vergeblichen Versuchen durfte der chinesische Autor Liao Yiwu nun erstmals seine Heimat verlassen

Berlin. Liao Yiwu, 52, blinzelt in eine Handvoll Kamerascheinwerfer und Blitzlichter, er ist noch etwas müde, und ein bisschen nervös macht ihn sein allererstes Pressegespräch in Deutschland schon. "Sonst bin ich derjenige, der fragt, hier muss ich die Antworten geben", sagt er.

Der chinesische Lyriker, Schriftsteller und Musiker ist am Morgen aus Chengdu via Peking in Berlin angekommen, nach 14 vergeblichen Versuchen in den vergangenen zehn Jahren ist es das erste Mal überhaupt, dass ihn seine Regierung ins Ausland reisen ließ. Die Ausreise funktionierte reibungslos, nur bei der Passkontrolle, erzählt er, fragte ihn eine Beamtin fassungslos: "So viele Visa haben Sie schon bekommen - warum haben Sie denn keines benutzt?" Seine Antwort klingt so diplomatisch wie vieles andere, was er sagt: "Damals hatte ich keine Zeit, jetzt habe ich sie." Mit den Sicherheitsbehörden in seiner Heimat steht er in engem Kontakt; manchmal ist er sogar selbst hingegangen, um die Aufpasser davon zu überzeugen, dass freies Reisen ein Menschenrecht sei. Positiv verändert habe sich durch die Debatten, dass er immer mehr Leute hinter sich habe.

Seine Reise sei auch die Erfüllung eines Stücks Vorsehung, wie seine Gefängnisstrafe. "Ohne die wäre ich jetzt nicht der Schriftsteller, der ich heute bin." Er sagt das unaufgeregt, und bedankt sich beim Berliner Literaturfestival für die jahrelangen Bemühungen um eine Reisegenehmigung.

Wie sich der Kontakt zur Staatsmacht gestaltet? "Das können manche Deutsche wohl am besten verstehen, denn bis 1989 haben die Menschen in einem Teil Deutschlands genau unter einem solchen System und einer solchen Struktur gelebt. In China kann man 'Das Leben der Anderen' als Raubkopie auf dem Schwarzmarkt kaufen." Dass er jetzt nach Berlin und Hamburg kommen durfte, führt er auf die hartnäckige Arbeit seiner ausländischen Freunde zurück. Man müsse ausdauernd an seinen Zielen arbeiten, "dann kann sogar die deutsche Kultur die chinesische Politik beeinflussen".

Liao wurde in Deutschland bekannt mit dem Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser", ein Buch, das ausführliche Interviews mit Angehörigen von Randgruppen der chinesischen Gesellschaft enthält. Für ein Gedicht über das Massaker am Tiananmen-Platz 1989 saß er vier Jahre im Gefängnis.

Gestern Abend wurde Liao bei der Eröffnung des Internationalen Literaturfestivals in Berlin gefeiert; am Freitag liest er in Hamburg, um 19 Uhr im Museum für Hamburgische Geschichte (Holstenwall 24), Eintritt 10 Euro, Karten unter T. 01805/920 09.