Intendant Schirmer zieht sofortige Konsequenz aus der “gravierenden Unterfinanzierung“

Hamburg. In der Theaterszene hat die Nachricht überregional für Verwunderung und Empörung gesorgt: Wegen der von ihm "seit Jahren" angemahnten "gravierenden" Unterfinanzierung des Deutschen Schauspielhauses hat Intendant Friedrich Schirmer gestern seinen Rücktritt erklärt. Er habe den neuen Kultursenator Reinhard Stuth um Aufhebung seines Vertrags zum 30. September gebeten. Stuth (CDU) nahm den Rücktritt an und bedauerte den Schritt des Intendanten.

Als Grund gab Schirmer, dessen Spielplangestaltung bereits seit Längerem in der Kritik steht, der von Stuths Vorgängerin Karin von Welck aber mit einem Vertrag bis zum Ende der Spielzeit 2014/15 versorgt worden war, die mangelnde Finanzierung seines Hauses an: "Ich sehe mich zu diesem Schritt veranlasst, weil ich den vom Aufsichtsrat des Deutschen Schauspielhauses beschlossenen Wirtschaftsplan für die Spielzeit 2010/11 angesichts der aus meiner Sicht gravierenden Unterfinanzierung des Theaters als Geschäftsführer nicht verantworten kann."

Interimistisch übernimmt der Kaufmännische Geschäftsführer Jack Kurfess die Theaterleitung. Die Saison 2010/11 sei vollständig geplant, hieß es aus dem Schauspielhaus und der Kulturbehörde. Der Kultursenator versuchte sich damit auch in Schadensbegrenzung: Stuth, der sein Amt erst vor drei Wochen übernommen hatte, glaubt, dass ihm "ausreichend Zeit" bleiben wird, einen neuen Intendanten zu finden. Nach seiner Ansicht ist "das Deutsche Schauspielhaus wie alle anderen staatlichen Bühnen ausreichend finanziert, auch wenn aufgrund der Haushaltssituation nicht alle in der Vergangenheit gemachten Zusagen einzuhalten waren".

Schirmer bestreitet ebendies in seiner Rücktrittserklärung: "Bei meiner Vertragsverlängerung im Jahr 2008 war mir eine Erhöhung der Mittel, insbesondere auch zur Fortsetzung der richtungweisenden Arbeit des Jungen Schauspielhauses, zugesagt worden. Diese finanziellen Zusagen konnten in der Spielzeit 2009/10 und in der begonnenen Spielzeit 2010/11 nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr musste in dem laufenden Haushalt eine beschlossene Kürzung des Zuschusses von 330 000 Euro umgesetzt werden." Die Fortführung seiner Arbeit sei ihm "unter diesen Umständen nicht möglich".

Interims-Intendant Kurfess rechnet nicht vor der Spielzeit 2012/13 mit einem Nachfolger für Schirmer. Überrascht über dessen abrupten Rücktritt zeigte er sich nicht: "Der Schritt hat sich schon lange angedeutet für den Fall, dass es uns nicht möglich sein sollte, ein ausgeglichenes Budget zu erreichen", sagte er dem Abendblatt.

In der Theaterszene ist der plötzliche Entschluss Schirmers dagegen mit Überraschung und Bestürzung aufgenommen worden. Schirmers Vorvorgänger Frank Baumbauer, der das Schauspielhaus von 1991 bis 2000 leitete, sagte dem Abendblatt: "Das macht man doch nicht mit dem größten deutschen Sprechtheater. Man drückt sich nicht aus der Verantwortung. Da scheint eine Hamburger Krankheit im Gange zu sein: erst von Beust und von Welck, jetzt Schirmer."