Mit seinen Händen entlockt der Jazz-Pianist Robert Glasper dem Flügel filigrane Töne, heute in der Laeiszhalle

Laeiszhalle. Einen Klavierlehrer hatte er nie, Klavierstunden kennt Robert Glasper nicht. Doch geübt hat er viel in seinem Leben. Stundenlang spielte der Teenager zu Hause in Houston/Texas auf dem Piano seiner Mutter, einer Gospelsängerin. Er wurde besser und besser, sodass er ein Stipendium für die New School for Jazz und Contemporary Music in New York erhielt. Heute zählt der 33 Jahre alte afroamerikanische Musiker zu den virtuosesten Pianisten des Jazz. Seine Übungsstunden halten sich jedoch inzwischen in einem überschaubaren Rahmen: "Bei mir zu Hause stehen jetzt drei Pianos. Aber manchmal rühre ich sie eine ganze Woche nicht an. Es ist wie mit einer Geliebten: Manchmal brauchst du etwas Abstand, und dann vermisst du sie. Wenn du dich ihr dann wieder näherst, fühlt sie sich wieder total aufregend an."

Glasper ist ein junger Mann, der mit seinen kräftigen Schultern und seinen großen Händen aussieht, als würde er auch im Hafen oder im Straßenbau seinen Mann stehen. Doch wenn er sich an einen Flügel setzt, holt er filigrane Töne aus dem Instrument. Jede Note scheint genau überlegt, keine ist zu viel. Immer finden sich in den rasanten Improvisationen kleine Melodien, die wie ein Thema wieder aufgenommen und oft schleifenartig variiert werden. Diese im Jazz unüblichen Piano-Loops verwendet Glasper, weil er noch in einem anderen Genre zu Hause ist, in dem Rhythmik und Beats eine zentrale Rolle spielen: dem Hip-Hop.

Als Glasper als 18 Jahre alter College-Boy nach New York kam, lernte er den Sänger Bilal kennen. Beide wurden schnell Freunde, und Bilal führte ihn in die Hip-Hop-Szene der Metropole ein. Glasper lernte Mos Def, die Roots, Common und viele andere Rapper kennen und fing an, sich für Hip-Hop zu interessieren. Musikalisch allerdings verfeinerte er seinen Jazz-Stil, ging mit bekannten Musikern wie dem Bassisten Christian McBride und dem Trompeter Roy Hargrove auf Tour. "Von vier College-Jahren war ich drei eigentlich nicht da. Schon im ersten Jahr war ich in den Abschlussklassen drin. Bis auf ein wenig Theorie hatte ich den geforderten Stoff schon drauf", sagt er ohne jegliche Arroganz. Glasper weiß, dass er ein Naturtalent ist. Aber eines, das begierig darauf ist, sich weiterzuentwickeln und neue Wege zu gehen.

Sein im vergangenen Jahr erschienenes viertes Album, "Double Booked", zeigt die parallele Entwicklung von Glasper. Die Nummern eins bis sechs hat er mit seinem Trio aufgenommen, zu dem der Schlagzeuger Chris Dave und der Bassist Vicente Archer gehören und mit dem er heute in der Kleinen Laeiszhalle auftreten wird. Es sind komplexe Kompositionen mit hohem Tempo, in denen jeder der drei Musiker seine instrumentalen Fähigkeiten zeigen kann. Die letzte Nummer ist die Interpretation von Thelonious Monks "Think Of One", die am Ende einen Beat aufgreift, den die Hip-Hop-Combo De La Soul für "Stakes Is High" benutzt hat. Dieser Beat markiert den Übergang zum Robert-Glasper-Experiment.

Mit dieser Band geht er völlig andere Wege, ohne den Jazz völlig hinter sich zu lassen. The Experiment integriert Electro-Funk und Hip-Hop mit Jazz und benutzt zudem verschiedene elektronische Soundelemente. Auch Texte, von Bilal gesungen, benutzt Glasper in den Kompositionen. Hier schlägt er eine Brücke in die 60er-Jahre, als der Jazz noch sehr viel politischer war. Damals kämpften zornige schwarze Musiker um künstlerische und gesellschaftliche Anerkennung. Sie waren Sprachrohr einer immer selbstbewusster werdenden afroamerikanischen Gemeinschaft. Seit den späten 70er-Jahren haben Rapper diese Sprachrohr-Funktion übernommen. Doch eine Verbindung zwischen Jazz und Hip-Hop besteht. Robert Glasper fasst sie in einem Wort zusammen: "Freiheit".

Robert Glasper Trio heute, 20.00, Kleine Laeiszhalle (U Messehallen); Johannes-Brahms-Platz, Karten ab 9,- an der Abendkasse; Internet: www.robertglasper.com