Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai präsentiert ihr Buch “Rosenjahre“ über ihre Jugend im Iran, einem ehemals wilden, gastfreundlichen Land.

Die Schauspielerin und Musikerin Jasmin Tabatabai, 43, hat ihr erstes Buch geschrieben, "Rosenjahre". Der Titel bezieht sich auf den Vornamen ihrer Mutter Rosemarie, die 1958, im Alter von 20 Jahren, ihrer großen Liebe, einem iranischen Unternehmer, in dessen Heimat folgt, dort 20 Jahre lebt und vier Kinder bekommt. Tabatabai beschreibt das Land ihrer Kindheit, inmitten einer lustigen, gesprächigen Großfamilie, als Abenteuer, voll warmer Bilder und ungewöhnlicher Erfahrungen. Für das Buch hat Jasmin Tabatabai 2000 Seiten von Briefen ihrer Mutter durchgearbeitet, die diese an Freundinnen sowie an ihre eigene Mutter in Deutschland geschrieben hatte. Wir sprachen mit Jasmin Tabatabai über ihre Familie , ihr Buch und den Iran.

Hamburger Abendblatt:

Sie sind im Iran geboren und die ersten zwölf Lebensjahre dort aufgewachsen. Haben Sie Ihr Buch auch geschrieben, weil Sie ein schönes Land kannten, aus dem man heute nur noch scheußliche Bilder bekommt? Da geht es um Steinigungen, Unterdrückung, Demonstranten, die verprügelt und inhaftiert werden, und die Kultur scheint verschwunden zu sein.

Jasmin Tabatabai:

Sie bringen es auf den Punkt. Sicherlich erzähle ich auch die Geschichte meiner Mutter, die meinen Vater auf dem Oktoberfest in München kennengelernt hat und dann zu ihm in den Iran gezogen ist. 1958 war das ein wildes, aufregendes, sehr gastfreundliches Land. Heute verbindet man mit dem Iran lauter Schrecknisse, weil man nur noch die Islamische Republik kennt. Mein Buch ist eine sentimentale Reise in die Vergangenheit. Ich möchte nicht nur die Geschichte meiner iranischen Familie erzählen, sondern auch die positiven Seiten des iranischen Volkes betonen, bevor sie völlig in Vergessenheit geraten. Iran war ja mal der Vorzeigestaat im Nahen Osten, trotz des Schahs, bei dem vieles politisch falsch lief. Aber seitdem hat sich das Land in rasendem Tempo in einen mittelalterlichen Staat zurückentwickelt. Das ist das Trauma meiner Kindheit.

Das Land Ihrer Kindheit ist verschwunden, ähnlich wie bei Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind.

Tabatabai:

Das ist wie eine Wunde, die sich nicht verschließt. Alle Iraner, die im Exil leben, sind deshalb traurig. Und schämen sich dafür, wie die Mullahs und Ahmadinedschad das Image des iranischen Volkes versaut haben. Vielleicht habe ich das Buch auch ein bisschen für die Exil-Iraner geschrieben. Als Erinnerung an eine naivere, unschuldigere Zeit. Für alle westlich orientierten Iraner ist das, was mit ihrem Land passiert ist, eine große Tragödie. Wenn ich mal kurz schwärmen darf, der Iran ist eigentlich ein so wunderbares Land, herzlich, humorvoll, gastfreundlich. Meine Mutter hat das Land anders kennengelernt, als es sich heute präsentiert.

Ihre Mutter, eine Münchnerin, wusste kaum etwas über den Iran, als sie dort hinzog. War das nicht ein Abenteuer?

Tabatabai:

Meine Mutter träumte von fernen und exotischen Ländern. Ihr erschien die Bundesrepublik damals sehr eng. Sie kam in ein lautes, staubiges und heißes, dafür aber auch entspanntes und lustigeres Land, als sie es von zu Hause kannte. Und in eine sehr große Familie. Mein Vater hatte sechs Geschwister. Im Iran besucht man sich ständig, isst zusammen. Man ist nie allein. Das war für meine Mutter neu und oft auch anstrengend.

Wie sah der Alltag aus?

Tabatabai:

Sie kam ja nicht in die Großstadt Teheran, sondern in die turkmenische Steppe im Norden von Iran, wo mein Vater Ländereien aufgebaut hatte. Er hat Baumwolle, Weizen und Tabak angebaut. Es gab nur einen Krämerladen. Mein Vater hat meiner Mutter als besonderen Liebesbeweis ein europäisches Bad gebaut. Und einen Esel geschenkt, auf dem sie in der Gegend herumreiten konnte. Ansonsten passierte dort nichts. Meine Mutter fand es aber sehr romantisch. Sie hat sehr schnell Persisch gelernt, spricht es sehr gut. Mein Vater war ein sehr liberaler Mann, ein Philosoph. Und ein Entertainer. Er sah auch noch gut aus. Und hatte eine Großfamilie. Das Leben meiner Mutter war bestimmt nicht langweilig.

Sie sind Schauspielerin, machen Musik. Was hat Sie dazu gebracht, nun auch noch zu schreiben?

Tabatabai:

Ich wurde schon öfter gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, eine Biografie über meine Kindheit im Iran zu schreiben. Ich hatte nie wirklich Zeit dazu. Aber immer Lust. Als ich mit meiner zweiten Tochter Helena schwanger geworden bin, empfand ich das als guten Zeitpunkt, damit anzufangen, denn ich war nun mehr zu Hause. Aber viel interessanter als meine eigene Geschichte fand ich die meiner Mutter. Meine Oma, die 2005 gestorben ist, hatte in ihrem Nachlass alle Briefe aufbewahrt, die meine Mutter ihr in ihrem jugendlichen Elan aus dem Iran geschrieben hatte.

Kinder wissen ja oft nicht sehr viel über ihre Eltern. Haben Sie Neues erfahren?

Tabatabai:

Meine Mutter muss sehr mutig gewesen sein. Sie ist praktisch ans Ende der Welt gegangen. Ich habe erst durch die Briefe begriffen, was es für eine wunderschöne Liebesgeschichte zwischen meinen Eltern war. So hatte ich meine Eltern noch nie betrachtet. Ich habe dadurch, dass ich mit zwölf Jahren nach Deutschland gekommen bin und meinen Vater nicht mehr regelmäßig gesehen habe, erst später gemerkt, dass mein Vater meiner Mutter in sehr lustigem Deutsch wunderbare Liebesbriefe geschrieben hat. Ich habe meiner Mutter gesagt, so schöne Liebesbriefe hat mir noch nie jemand geschrieben.

Eine Ihrer Schwestern lebt noch in Teheran, Cousins und Cousinen auch. Was wissen Sie über das Leben dort?

Tabatabai:

Für junge Menschen ist es sehr schwer, denn sie müssen sehr unterdrückt leben. Jeder spielt eine öffentliche und eine private Rolle in dieser bigotten Gesellschaft. Auf vielen Partys in Teheran gibt es Drogen, Alkohol und Promiskuität. Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Früher waren Iraner so brav. Meine älteste Schwester hat in Deutschland Psychologie studiert und ist aus Liebe in den Iran zurückgegangen. Zu demselben Mann, den ich im Buch beschreibe und den sie mit 15 Jahren im Iran kennengelernt hatte. Beide sind gerade bei mir zu Besuch. Ihre Töchter leben bei mir. Sie studieren in Deutschland Informatik und Biologie und werden nicht zurück in den Iran gehen. Die persischen Frauen studieren gerne handfeste Fächer, mit denen man später viel Geld verdienen kann. Die wollen Macht, Unabhängigkeit. Mal sehen, wie sich das im Iran entwickelt.

Jasmin Tabatabai: "Rosenjahre" , Ullstein-Verlag, 288 S., 19,95 Euro

Jasmin Tabatabai wird ihr Buch beim Harbour Front Literaturfestival vorstellen, 15.9., 20.30 Uhr, Uebel & Gefährlich, Bunker Feldstraße 66, Eintritt: 12 Euro

Harbour Front Literaturfestival 2010