Brett Deans Oper “Bliss“ kommt am Sonntag in die Staatsoper

Hamburg. Kann sein, dass Brett Dean deshalb die Ruhe selbst ist, weil er die beiden Heimspiele und das erste Auswärtsspiel so souverän für sich entscheiden konnte, dass er dem Gesetz der Serie vertraut und einen erneuten Erfolg auch auf schwierigerem Terrain für wahrscheinlicher hält als eine Niederlage. Besser hätte es für den 48-jährigen Komponisten aus Australien bisher nämlich nicht laufen können mit seiner Oper "Bliss", die am Sonntag in der Staatsoper ihre deutsche Erstaufführung erlebt. Erst im März dieses Jahres feierte das dreiaktige Werk nach dem Roman von Peter Carey in Sidney Uraufführung. Kurz darauf ging die Produktion nach Melbourne, letzte Woche gastierte sie beim Edinburgh Festival. In aller Bescheidenheit sagt Dean, das Stück sei in Sidney ein "ziemliches Ereignis" gewesen, der Talk of the town. Auch die Aufführung in Edinburgh habe großen Eindruck hinterlassen.

Dennoch umgibt Dean wenige Tage vor der Premiere der ersten Neuinszenierung eine Art von Gelassenheit, die durch Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und Zuversicht, dass auch die nicht-englischsprachige Welt sie anerkennen werde, allein kaum zu erklären ist. Vielleicht führt insgeheim doch die Romanfigur Regie, der Durchschnittsheld von "Bliss", der mit dem fast albern plakativen Namen Harry Joy geschlagen ist. Ein Nahtoderlebnis katapultiert ihn vom dumpf und gemütlich vor sich hin lebenden Werber kathartisch zum Aussteiger im australischen Busch.

Als sei dies eine handelsübliche Bezeichnung für lebensentscheidende Wendungen, spricht Brett Dean vom "Harry-Joy-Weg". Den gab es nicht nur im Leben des Romanautors Peter Carey, der in "Bliss" augenscheinlich viel Autobiografisches verhandelt. Auch in seinem eigenen Leben ging Dean den "Harry-Joy-Weg". 15 Jahre lang, von 1985 bis 1999, war er Bratscher bei den Berliner Philharmonikern gewesen, verwöhnt von Komfort, Geld, Sicherheit. Da entschloss er sich, den Orchesterdienst zu quittieren und mit seiner Frau, der Malerin Heather Betts, und den damals acht und zehn Jahre alten Kindern zurück nach Australien zu gehen. In einfachste Lebensverhältnisse, in einen Ort, nur 20 Kilometer entfernt von dem Platz, von dem aus Peter Carey in seiner Landkommunenzeit Ende der 80er-Jahre den Roman "Bliss" schrieb.

"Von 100 auf null in ein paar Sekunden", beschreibt Dean diese Sollbruchstelle seiner Biografie. Die Konsequenzen aus der Zivilisationsmüdigkeit währten nur einige Jahre. Inzwischen lebt der Komponist, der letztes Jahr mit dem Grawemeyer Award einen der begehrtesten Musikpreise der Welt bekam, mit seiner Familie in Brisbane. Aber auch Peter Careys Abkehr vom falschen Leben im vermeintlich richtigen war nur vorübergehend: der Romancier wohnt seit Jahren mitten in New York.

Trotzdem scheint der temporäre Eskapismus um die Jahrtausendwende Brett Dean mit einer Distanz zu allen Automatismen der von der eigenen Geschäftigkeit dauerbesoffenen Welt imprägniert zu haben. Ob seine Oper, deren Romanvorlage in Australien eine Hermann Hesses "Siddharta" vergleichbare Wirkung entfaltete, auch in Hamburg reüssieren wird, wo Autor, Buch und Komponist fast unbekannt sind, weiß er nicht. Aber er verspricht: "Wenn es gut läuft, wird es ein spannender Abend im Theater."