Sie heißt Melony, ihr Mann macht in Öl, und wir teilen uns die letzte Sitzreihe im Flieger von London. "Are you from Hamburg?", fragt sie mit Texasakzent und gerät bei der zugegeben stolzen Antwort in "Oh, REALLY?!"-Laune. Es sei ihre erste Reise nach Europa, und ob es stimme, dass wir keine Kühlschränke hätten? Ich kann sie beruhigen: So alt ist die Alte Welt nun auch nicht. "Und wie ist das mit dem Hamburger Snacking?" Ich vermute, sie redet über Labskaus. "No! The Snacking! Like: Moin Digga, na?"

Äh, ja. Melony hat sich aus dem Internet ein kleines Wörterbuch zusammengestellt: "Hamburg Snacking for Travellers" - Schnacken für Reisende. Oha. Ich erfahre, dass man jemanden, den man gern mag, Digga und Alda nennen sollte, Moin immer und überall sagt, und anstatt "Wie geht's?" nur "Na?" fragt und mit "Na" antwortet. Denn der Hanseat muss viel arbeiten, hat für längere Gespräche und ellenlange Silben keine Zeit und spricht deshalb so sparsam, als sei er angetrunken: Flurisn? (Wie viel Uhr ist es denn?) Schlangeda? (Sind Sie schon lange da?).

Ebenso gehöre eine Abneigung gegen den Buchstaben "k" dazu, der gegen ein "g" zu ersetzen sei, ein "t" gegen ein "d", und dass wir auch das "r" und seine folgenden Silben wegkürzen. Melony trägt mir den Beispielsatz "Alda, wir fah'n mitm Vadda nach Bah'nfeld inne Egggneipe mit Amusemang" sehr glücklich vor.

Für einen Augenblick stelle ich mir vor, wie sie dem Concierge ihres Hotels (das Vier Jahreszeiten) ein fröhliches "Moin, Digga!" zuruft. Dann siegt mein Gewissen und ich bitte sie, das Hamburger Snacking für Oktoberfeste in Texas aufzuheben.

Nicht nur für Germany-Travellers sehr erhellend: Lesung mit Prinz Asfa-Wossen Asserate aus "Draußen nur Kännchen - meine deutschen Fundstücke", Di 14.9., 20:00, St. Katharinen-Kirche (U Messberg), Katharinenkirchhof 1, Karten 12,- unter der Ticket-Hotline 01805/92 20 09; www.harbourfront-hamburg.com