Gelungene Kleist-Reflexion im Rangfoyer des Schauspielhauses

Hamburg. "Nur ich weiß, was mein Glück ist", brüllt der Dichter mit Namen Bernd Getskard und tobt dazu über die Bühne, die die Zuschauer wie ein offenes Buch angähnt. Das Glück, dem er so verzweifelt nachjagt, er wird es auf Erden nicht finden. Verbarg sich hinter dem leidenden Genie Heinrich von Kleist kreativer Wahnsinn oder eine pathologisch manische Depression? In Oliver Bukowskis Kleist-Reflexion "Wenn ihr euch totschlagt ist es ein Versehen", die jetzt Premiere im Rangfoyer des Schauspielhauses feierte, ist das einerlei. Der Aufschwung des Dichters zur Größe, er ist nur mit einem schmerzhaften Ausstieg aus der Realität zu gewinnen.

Anhand grob verfremdeter Details hangelt sich der Abend, wie schon "Robert Guiskard" eine Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen, am biografischen Faden des deutschen Dramatikers und Dichters, dessen Selbstzweifeln und launischen Berufswechseln entlang bis zum frühen Freitod mit nur 34 Jahren.

Doch anders als beim schwerblütigen Dramenfragment hat Regisseur Markus Heinzelmann das Dichterelend mit viel schwarzem Humor und Anleihen bei Comicstrip-Gesten munter aufpoliert, die mit Oliver Bukowskis frechem Sprachwitz trefflich korrelieren. "Er legt einmal seinen Müll auf Kante, und schon ist es wieder altgriechisches Drama?", fragt Wiepert, Synomyn für Kleists Förderer Wiegand. "Gute Laune, bis die Sau kotzt", sagt Bernd Getskard. Die Kleistfigur gleicht beim hyperventilierenden Stefan Haschke einem tollwütigen Hund. Mit Melancholie im Blick gibt er den zerrissenen Dichter.

In Momenten der Ruhe liegt er erschöpft und niedergeschlagen am Boden, meist aber umkurvt er seine Mitspieler wie ein aufgezogenes Spielzeug. Wiepert ist bei Marco Albrecht ein bebrillter Spießer mit butterweichem Herzen, der die Nachricht vom Premierenmalheur überbringen darf.

In Bernds Freundin Claudi, gespielt von Lydia Stäubli, als liebende, pragmatische Barbiepuppe, kulminieren gleich mehrere Kleist-Frauen. Ein lebendiges Trostpflaster mit Engelsgeduld. Bis auch hier der Lebensmut einer matten Erschöpfung weicht.

Unter hohem Körper- und Stimmeinsatz bestreitet das Trio Infernale diesen Abend mit beachtlicher Konzentration und hält das Tempo allezeit hoch. Heinzelmann, der in der freien Theaterszene erste Lorbeeren erntete, peppt das ganze mit ein wenig wackeliger Videokunst noch weiter auf. Das Drama der Künstlerseele droht hinter der hektisch aufgeregten Oberfläche allerdings zu verschwinden.

Wenn ihr euch totschlagt ist es ein Versehen: weitere Termine 7. und 8.9. sowie 10. und 14.10., jew. 20.30, Rangfoyer im Schauspielhaus, Eintritt 17,- (an manchen Tagen nur noch Restkarten), Kirchenallee 39, T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de