Beim STAMP-Festival gingen laute und leise Künstler mit dem Publikum auf Tuchfühlung

Hamburg. Der Mann mit dem Tabakbeutel in der Hand, der zwischen den bunt kostümierten Bandmitgliedern tanzt, gehört augenscheinlich nicht zu Peace Artistes. Auch das kleine Mädchen, das sich ganz nah an die beiden Australierinnen von Smitten herantraut, ist nicht Teil ihrer Show. Obwohl, die beiden passen ziemlich gut ins Gesamtbild des STAMP-Festivals.

Denn Bühnen gibt es beim ersten internationalen Festival der Straßenkünste nicht, nur markierte Areale, in denen Musiker, Artisten und Clowns auftreten. Eine ganz bewusste Entscheidung, sagt Dieter Meine, der Geschäftsführer der Altonale GmbH und Hauptverantwortlicher für das bunte Treiben zwischen Bahnhof Altona und Bruno-Tesch-Platz. Denn gerade die unmittelbare Nähe des Publikums zu den Künstlern macht einen Gutteil des Charmes aus, den das Festival versprüht. Und so kommt es immer wieder zu direkter Interaktion zwischen Künstlern und Publikum. Mal unangekündigt, mal gewollt.

Wie bei Ernest The Magnifico, dem Clown und Akrobaten mit der feschen 80er-Jahre-Hillbilly-Frisur, der seinen mit dem Namen "Stunt Boy" bedachten jugendlichen Gehilfen mit Bezahlung lockt, um ihn zur Mitarbeit zu bewegen: "Bist du für fünf Euro bereit, dein Leben zu riskieren?" Ganz so gefährlich wird es dann nicht, aber Klappern gehört ja bekanntermaßen zum Handwerk.

Daran halten sich auch Funky a l'Olla. Als ob Disco-Klassiker und andere Grooves nicht genug wären, um Publikum anzuziehen, fallen die Spanier auch optisch aus dem Rahmen. Auf Stelzen, mit Afroperücken und Kostümen, die selbst einem Farbenblinden das Wasser in die Augen treiben, spielen die Musiker ihre Show. Extravaganter sind nur die Samba- und Mas-Gruppen, die bei der Night- und STAMP-Parade die staunenden Zuschauer mental zum Karneval in Rio de Janeiro entführen.

Dann kommt man auch endlich einmal dazu, einfach stehen zu bleiben und die Künstler an sich vorbeiziehen zu lassen. Vorher war man immer in Bewegung. So viel gibt es zu sehen, so viele Künstler zu entdecken.

Smitten zum Beispiel. Zwischen 20-köpfigen Blasorchestern, Jongleuren und dem Theater Grrr, das mit einem längs durchgeschnittenen Trabi als Requisit aufwarten kann, fallen die zwei jungen Frauen allein aufgrund der von ihnen angeschlagenen leisen Töne auf. Irgendwo zwischen Low-Fi, Folk und Trip-Hop à la Portishead bewegt sich das musikalische Spektrum der Musikerinnen. Die fünf Euro für die EP des Duos fallen schon nach wenigen Songs in den Geigenkasten.

Auf die Spenden der Zuhörer sind Lizzie Sarroff und Clare Tarei genauso angewiesen wie die anderen Künstler. Denn mehr als einen Kostenzuschuss bekommen sie nicht. Den Hinweis darauf, dass das Hutgeld für die Auftretenden mehr als bloßes Zubrot ist, hätte man sich prominenter gewünscht, im Festivalprogramm übersieht man ihn schnell. Genau wie die ganz stillen, aber umso bildgewaltigeren Auftritte der Street-Art-Künstler. Man muss schon vorher wissen, dass hinter dem Treppenaufgang am Straßenrand Boxi und ecb ihre Werke an die Wände des Parkdecks sprühen, dass man die seltene Chance hat, urbaner Kunst beim Entstehen zuzusehen.

Doch trotz einiger Kinderkrankheiten kann man sich nur dem Ruf des kleinen Mädchens mit der ansteckenden Lache anschließen, das dem Maskentheater Die Paten zum Abschied zuruft: "Tschüs, ihr witzigen Leute!" Und ergänzt gut gelaunt: "Bis nächstes Jahr!"