Im Lichthof-Theater lässt das Regie-Team Raum 222 einen ganzen Tag Revue passieren

Hamburg. Der 29. Mai 2010 ist ein ganz gewöhnlicher Sonnabend. Und doch ein besonderer Tag. Lena Meyer-Landrut hat den Grand Prix Eurovision in Oslo gewonnen. Schon vergessen? Auch für Georg Dittrich ist der Tag unvergesslich, allerdings aus einem anderen Grund. Der Nachwuchsregisseur wurde Vater. Um ein Uhr 15 Minuten hielt er zum ersten Mal seine Tochter Mia im Arm. Dann schrieb er eine SMS an seine vier Kollegen von der Theaterakademie. In ihrer Performance "Acht Pfund Welt Anatomie eines Tages" lassen sie die 24 Stunden Revue passieren, zeichnen sie auf - es soll ein Geschenk werden, für Mia, eines Tages.

Babett Grube, Ivna Zic, Georg Grünewald, Christopher Rüping und Jungvater Georg Dittrich sind das Kollektiv Raum 222 und die Sieger beim Start-Off-Wettbewerb des Lichthofs. Seit drei Jahren bietet die Off-Bühne Nachwuchsregisseuren eine von Theaterakademie und der Hamburgischen Kulturstiftung geförderte Produktion.

Nun sitzen sie auf der Bühne an einem Tisch. Nur einer fehlt. Grünewald ist in Laos und hat eine Botschaft geschickt: Fotos dokumentieren seinen 29. Mai. Auch ein Gruppenfoto mit Publikum wird geschossen. Und ein Geschenk nach dem anderen für Mia ausgepackt, darunter auch ein vom Vater komponiertes Lied und ein von Rüping geschriebenes Märchen.

Alle theatralischen Ausdrucksmittel - Bilder, Film, Text, Musik, Spiel und Tanz - nutzen die Performer. Sie zeigen Selbstironie, trockene Komik und Witz in ihren Erinnerungsdialogen über den normalen und doch denkwürdigen Tag. Öl strömt in den Golf von Mexiko. In Lahore werden die Attentatopfer gezählt. Eine junge Frau wird beerdigt. Wolfgang Schäuble fragt sich: "Was ist konservativ?" Ivna Zic zieht um. Und Rüping fragt sich, warum er der einzige männliche Umzugshelfer ist.

Das Regie-Kollektiv setzt auch kritische Schlaglichter mit Kommentaren zum Tagesgeschehen, den Medien- und Zeitungsberichten. Oder mit der lustigtraurigen Pantomime des Pelikans mit Ölpest oder der Schiffszene um die im Hafen von Famagusta festsitzende, durch Israel blockierte "Challenger I" von der FreeGaza-Flottille. Lenas Triumph vergessen sie nicht und tanzen ausgelassen mit.

Das Video der Performance verwahrt der Lichthof. Zur Feier ihres 13. Geburtstags soll Mia die Aufzeichnung als Geschenk bekommen. Dazu sind auch die Zuschauer geladen. Nebenbei schließt die Performance über Erinnerung und Vergessen, über die (falsche) mediale Vermittlung von Fakten und die persönliche Sicht des Tagesgeschehens spielerisch und unbeschwert den Zyklus von Geburt und Tod. Die fünf Regisseure haben nicht nur dem neuen Menschenkind, sondern auch sich und den Zuschauern ein bezauberndes und kluges Geschenk gemacht. Der 29. Mai bleibt allen als "Mia Day" im Gedächtnis.