Beim 50. Hamburger Musikforum diskutierten Experten den Begriff “Indie“

Hamburg. "Mainstream der Minderheiten" heißt ein Essayband aus dem Jahr 1996, der die These birgt, dass die (damals wirklich noch) großen Plattenfirmen verstärkt alternative, system- und marktkritische Musik vereinnahmen und vermarkten. Ob Punk, Hip-Hop, Grunge oder Mainstream: In immer kürzeren Abständen wurde das Subversive als Kaufanreiz entdeckt.

Jetzt, 15 Jahre später, wo sich auch Bands aus dem subkulturellen Kontext längst auf kommerziell gesponserten Bühnen präsentieren, fragte sich eine renommierte Branchenrunde (rein männlich, auch so ein Thema): "Wie independent ist Indie?" Anlass war das 50. Hamburger Musikforum, ein Treffen des Verbandes unabhängiger Musikunternehmen. Es ging also um nicht weniger als die Frage, wie es um das eigene Selbstverständnis bestellt ist.

"Independent ist für mich ein toter Begriff", erklärte Max Dax, Chefredakteur des Musikmagazins "Spex". Auch Sterne-Sänger Frank Spilker und Alfred Hilsberg, mit seiner Plattenfirma ZickZack eine Ikone unabhängigen Pop-Publizierens, sind sich einig, dass das Wort seit den 80ern zur Marketingvokabel verkommen ist. "Ob Major- oder Independent-Label, alle sind Teil der gleichen Kulturindustrie. Und jeder muss sich fragen, wie er sich in diesem Zirkus positioniert", erklärte Hilsberg.

Für Peter James vom Popbüro Stuttgart hingegen besteht die künstlerische Freiheit jenseits von strukturellen Abhängigkeiten nach wie vor: "Es wird weiterhin kleine Labels geben, die sich nicht reinreden lassen." Spilker betonte als Musiker den Pragmatismus: "Erfolg gibt einem auch die Freiheit, längerfristig zu planen." Und um finanzielle Spielräume zu ermöglichen, nutzten Die Sterne auch schon mal das Sponsoring, etwa die Konzertreihe "Jägermeister Rockliga". Allerdings nur, solange die Kooperation nicht die Ausrichtung der Band beeinflusse. Den Druck, den Firmen ausüben, um Schleichwerbung zu platzieren, thematisierte auch Dax. Die Partnerschaft, die "Spex" mit einem Pastahersteller einging, veranlasste die Redaktion zum Diskurs darüber, wie schwer es ist, Unabhängigkeit im Journalismus zu wahren. Zudem diskutierten die Experten, ob das Internet Demokratisierung oder Amateurisierung der Branche bedeutet. Umso wichtiger, dass kleine Labels, ob sie sich nun als "indie" begreifen oder nicht, als Geschmacksverstärker dienen und ihren Sound beherzt zum Hörer bringen.