Henri-Georges Clouzots Eifersuchtsfantasie “Die Hölle“ fand nicht den Weg auf die Leinwand

Nichts weniger als eine Revolution des Kinos hatte Regisseur Henri-Georges Clouzot im Sinn, als er 1964 jenen Film drehte, der den Schrecken schon im Titel trägt: "Die Hölle", "L'enfer" im Original. Ein Ziel, dass er um Längen verfehlte - so weit, dass am Ende nicht mal ein fertiger Film stand, irgendeiner, sondern einzig 185 Filmdosen mit 13 Stunden Material. "Die Hölle" ging ein in die Kinogeschichte als Chronik eines angekündigten Scheiterns. Als vielversprechendes Projekt, von dem niemand je wird sagen können, ob vielleicht das Meisterwerk herausgekommen wäre, das sich sein Regisseur versprochen hatte. Oder doch nur ein größenwahnsinniger Egotrip.

"Die Hölle" ist der Monolog einer quälenden männlichen Eifersuchtsfantasie. Serge Reggiani spielt einen Mann, der überall Anzeichen wittert, seine Frau (die damals 25-jährige Romy Schneider) betrüge ihn. Albträume und Wahnvorstellungen plagen ihn, verzerrte Stimmen verdichten sich zu einer monströsen Toncollage. Dieses Gefühl der Eifersucht körperlich und visuell erfahrbar zu machen, die langsam aufwallende Hitze und die vergiftete Atmosphäre, darum ging es Clouzot.

Alltagsszenen drehte er in Schwarz-Weiß, die Fantasien des Protagonisten in grellen Farben. Bunt und glänzend erinnern diese Bilder an einen psychedelischen Drogentrip mit Überblendungen und optischen Täuschungen. Dass es sich bei "Die Hölle" um einen Film handeln sollte, der mit dem traditionellen französischen Kino nichts mehr zu tun hatte, der in seiner Ambitioniertheit alles bislang Dagewesene in den Schatten stellte, das ist bereits in wenigen Ausschnitten erkennbar.

Es bleibt die drängende Frage, warum sich die Dreharbeiten zu einem solchen Desaster entwickelten. Die Produzenten hatten Clouzot unbegrenztes Budget in Aussicht gestellt, nachdem sie die Probeaufnahmen gesichtet hatten. Die besten Kameramänner und Aufnahmeleiter hatten sich am Set versammelt. Und doch schien der als Kontrollfreak verschriene Regisseur nicht recht zu wissen, wohin die filmische Reise gehen sollte. Nicht selten war nach zwölf Stunden Dreh die Szene noch nicht im Kasten, berichtete Regisseur Constantin Costa-Gavras, damals Clouzots Regieassistent. So tragisch die Tatsache, klingt es doch beinahe folgerichtig, dass Clouzot während der Dreharbeiten einen Herzinfarkt erlitt.

Was bleibt von "Die Hölle", dessen Entstehungsgeschichte und fragmentarischen Überreste man sich jetzt auf DVD ansehen kann, sind einerseits Aufnahmen von Romy Schneider, wie man lange keine schöneren mehr gesehen hat. Romy, die damals auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war, wie sie im gemusterten Bikini Wasserski fährt, die Lippen knallblau geschminkt, die Gesichtszüge weich. Oder wie sie zum Sommerkleid ein lose zusammengebundenes Kopftuch trägt, so elegant, wie es außer ihr wohl nur noch Grace Kelly vermochte.

Auf der anderen Seite erzählen die Filmhistoriker Serge Bromberg und Ruxandra Medrea die Auferstehung eines verlorenen Films. Nach all den Jahren in der Versenkung konnten sie das Werk - mit der zuvor lange verweigerten Genehmigung von Clouzots Witwe Ines - nun der Öffentlichkeit zugänglich machen. Zwei Schauspieler, Jacques Gamblin und Bérenice Béjo, sprechen und füllen die Lücken des Drehbuchs mit nachgefilmten Dialogen. Interviews mit Beteiligten zeichnen das Bild eines obsessiven Filmemachers, der dem eigenen Perfektionismus zum Opfer fiel.

1994 drehte der Regisseur Claude Chabrol "Die Hölle" nach Clouzots Drehbuch mit Emmanuelle Béart und François Cluzet in den Hauptrollen - und selbst Chabrol-Fans werden eingestehen: Es ist nicht sein Meisterwerk. Das hätte vielleicht Henri-Georges Clouzot gedreht.

Henri-Georges Clouzot: Die Hölle. Regie und Produktion: Serge Bromberg und Ruxandra Medrea, 95 Minuten, zwei DVDs, Arthaus Premium