Liebe Leser der Literatur-Beilage

Literatur kann ja, ihrer Natur nach, eine ziemlich einsame Sache sein. Ein Autor, ein Leser, ein Buch. Mehr braucht es eigentlich nicht, Einsamkeit beim Schreiben und Einsamkeit beim Lesen gehen eine verlockende Liaison ein, eine gute Einsamkeit ist das nämlich, eine, die verbindet. Den Schriftsteller mittels seiner Figuren mit dem Leser, die Leser untereinander, wenn sie sich austauschen über ein beglückendes (oder manchmal auch verstörendes) Leseerlebnis und natürlich die Leser mit den eröffneten Welten, mit neuen Lebensperspektiven oder allzu bekannten, beides hat ja seinen ganz besonderen Reiz.

So wie es auch seinen unbestreitbaren Reiz hat, die Einsamkeit der Leseerfahrung hin und wieder ganz bewusst gegen das kollektive Erlebnis einzutauschen. Das zweite Harbour-Front-Festival ermöglicht auch in diesem Jahr - wie schon die äußerst gelungene Premiere im vergangenen September - wieder den Anreiz zur literarischen Auseinandersetzung über alle Genregrenzen hinweg. Lesen, auch das stimmt, schafft Gemeinsamkeit.

Zahlreiche Lesungen an charmanten, auch ungewöhnlichen Veranstaltungsorten in Elbnähe legen dem Publikum nicht nur aufregende und anregende (Neu-)Erscheinungen aus dem literarischen Jahr ans Herz, sondern bringen auch die Verursacher ihren Konsumenten näher. Und umgekehrt. Wie klingt eigentlich John Grisham, der in Hamburg seine allererste Lesung in Deutschland gibt? Wie arbeitet Ferdinand von Schirach, dessen zweiter Band, "Schuld", für ähnlich viel Furore sorgt wie sein Debüt? Was sind die literarischen Favoriten der Hamburger Autorin Brigitte Kronauer, die zum Festivalauftakt im Hause des Hauptsponsors auftritt?

Der Debütantensalon eröffnet Begegnungen mit dem literarischen Nachwuchs, John Irving, der alte Hase, kommt mit "Letzte Nacht in Twisted River" aus den USA, Claude Lanzmann mit seiner bewegenden Lebensgeschichte aus Frankreich, Sofi Oksanen aus Finnland - und Ildikó von Kürthy inhaltlich wie geografisch praktisch von nebenan.

Es wäre schon arg verwunderlich, wenn in diesem so reichhaltigen wie vielfältigen Programm nicht jeder etwas fände, egal welche Lesegewohnheiten er sonst so pflegt - oder ob überhaupt. Die langen Abende kommen früh genug. Und dann? Na, was sonst: lesen, lesen, lesen. Wir wollen Sie gern mit darauf einstimmen.