Warum es Spaß macht, neue Autoren zu entdecken

Eigentlich gibt es in der Kunst nur wenig Intimeres als Lesen. Man muss dazu alleine sein, ganz anders als im Kino, Theater oder Konzert. Doch wie man lesen kann und trotzdem dabei - abseits des Textes - gut unterhalten wird, zeigen Literaturfestivals. Da lernt man Bücher kennen, zu denen man vielleicht nie gegriffen hätte. Man kann feststellen, wie ein Autor spricht, guckt, geht und ob er einem sympathisch ist. Und man erkennt, durch die vielen Menschen, die zur selben Veranstaltung gekommen sind, dass man Wünsche und Erwartungen hat, die andere auch haben. Dass man sich über das, was man beim Lesen gedacht, gespürt und empfunden hat, austauschen kann.

Es gibt kein anderes Medium als das Buch und seinen Inhalt, das einen so tief in den Kopf eines anderen Menschen eindringen lässt. In seine Fantasien, Wünsche, Ängste, Sehnsüchte und Vorstellungen von der Welt. Warum liebt jemand? Wovor fürchtet er sich? Wozu ist Eifersucht fähig? Was geht in einem Opfer vor? Fragen dieser Art bekommt man nur im persönlichen Gespräch oder in der Literatur beantwortet. Und weil der Mensch nun mal wissen will, wie Menschen ticken, liest er.

Lesen, ist das überhaupt noch interessant in einer Zeit, in der von uns allen schnelle Aufmerksamkeit, rasche Themenwechsel, Umgang mit Bild- und Tonfluten sowie Multitasking gefordert werden? Fähigkeiten, die genau das Gegenteil von dem sind, was man zum Lesen braucht, also Konzentration, um in Texten und Fantasiewelten völlig verschwinden zu können.

Lesen ist heute vielleicht spannender denn je. Es hilft uns, Informationen überhaupt einordnen zu können. Es hilft, Gefühle zu verstehen, Zusammenhänge und Unterschiede zu erkennen. Kurz, ohne Bücher bleiben wir hilf- und verständnislos, geistig arm und irgendwie stehen geblieben. Genau deshalb lesen auch so viele Menschen und der Buchmarkt kann immer noch wachsen, zuletzt im Bereich der englischsprachigen Originalausgaben.

Das Buch ist alles andere als veraltet. Jugendliche verschlingen Harry Potter- oder Vampirgeschichten, Koch- und Lebenshilfe-Bücher haben extrem hohe Auflagen, Romane mit Historien- oder Fantasy-Themen, schwedische und andere Krimis finden in Massen Abnehmer und selbst anspruchsvolle Belletristik wie beispielsweise Uwe Tellkamps "Der Turm" oder Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" verkauft sich im sechsstelligen Bereich. Lesen, so zeigen auch Literaturfestivals, kann zu Menschenaufläufen und Schlangestehen führen. Auch, weil hier aus Lesungen unterhaltsame, professionelle, überraschende und amüsante Erlebnisse gemacht werden. Irgendetwas zwischen Gottesdienst und Happening. Bestenfalls Pop also. Das Internationale Literaturfestival Berlin, ein zweiwöchiger Literaturmarathon, kennt Veranstaltungen, zu denen 1000 Besucher kommen. Und wenn zur Frühjahrs-Buchmesse "Leipzig liest" öffentliche Lesungen veranstaltet, macht sich die halbe Messestadt auf. Die Lit.Colgne etwa, die vor zehn Jahren in Köln gegründet wurde, zog im vergangenen Jahr 80 000 Besucher an. Köln bietet richtig große Abendunterhaltung.

Genauso sehen es wohl auch die Initiatoren des Harbour Front Literaturfestivals, das im vergangenen Jahr zum ersten Mal und ganz ohne öffentliche Mittel in Hamburg veranstaltet wurde. An vielen verschiedenen Orten wie Museen, Theatern, Kneipen oder Schiffen im und um den Hafen. Spaß macht es, dort hinzugehen, Orte, fremde Leute und neue Autoren zu entdecken. Zehn Tage stehen uns nun vom 8. September an mit dem zweiten Harbour Front Literaturfestival ins Haus, in denen man weder zu Hause sitzen noch Trübsal blasen muss. Man kann einfach losziehen und sich vorlesen lassen. Wetten, dass es gut wird?

Harbour Front Literaturfestival Hamburg 8.-18.9.; www.harbourfront-hamburg.com