Was Sponsoren sich von Festivals erhoffen

Der folgende Text wird Ihnen präsentiert von "Beinahe ein Original - Analog-Käse aus dem Labor".

Nein, das passt nicht zusammen. Klosterfrau Melissengeist ist ja auch nicht der Hauptsponsor des Wacken Open Air. Andere aber geben Unsummen aus, um in einem Atemzug mit großen Festivals und Konzerten genannt werden zu dürfen. "Live-Kommunikation" und "authentische Markenbotschaften" sind angesagt. Alles, was den Hauch von Jugendlichkeit und Menschenmengen verbreitet, ruft Werber auf den Plan, die lustige Anglizismen vor sich hertragen, von denen kaum jemand weiß, was sie bedeuten (was ein "assistant vice president of advertising and brand management" wohl tut?).

Ein Festival, das ist mehr als nur Musik und Camping unter erschwerten Bedingungen. Zehntausende, die zwischen den Bandauftritten unterhalten werden wollen und allesamt gut gelaunt sind, den mehrtägigen Ausnahmezustand als Kurzurlaub und gemeinsames Identifikationsmerkmal zugleich begreifen. T-Shirts, Eintrittsbändsel und andere Devotionalien von Hurricane, Rock am Ring oder Wacken genießen fast denselben Ruf wie rare Bandshirts. Gerade wenn der Träger mit ihnen beweisen kann, dass er schon in eisgrauer Vorzeit dabei war.

Für die Sponsoren macht das die alljährlichen Zusammenkünfte von Gleichgesinnten zu begehrten Werbeträgern. Sie bieten die Chance, das Image der Veranstaltung ein Stück weit für sich selbst übernehmen zu können. Telekommunikations- und Modeunternehmen, Getränke- und Zigarettenhersteller geben sechsstellige Summen aus, um im Festivalmatsch/-staub präsent zu sein oder einem Event-Konglomerat aus Sportveranstaltung und Konzert wie den "Telekom Extreme Playgrounds" gleich ihren eigenen Namen zu leihen.

Und hoffen im Gegenzug darauf, dass bei der Wahl des Handyvertrags die Erinnerung an Wakeboardhelden und Punkmusik eine Rolle spielt, der Griff ins Flaschenregal Erinnerungen an durchfeierte Nächte in Wacken aufkommen lässt und der Gang zum Tabakhändler den Raucher in die verträumte Stimmung der Zigarette danach auf dem Zeltplatz des Hurricane versetzt.

Doch kann das funktionieren? Wird das rosa - Verzeihung, magentafarbene ehemalige Staatsunternehmen in der Wahrnehmung des jugendlichen Zielpublikums vom Dully (wenig schmeichelhaft) zum Hottie (sehr schmeichelhaft), weil man sein Handy am Stand aufladen konnte und eine aufblasbare Winkehand geschenkt bekommen hat?

Mehr Chancen haben da Marken, die bereits in Eigenregie an ihrem Image gearbeitet haben. Kaum eine Biermarke genießt eine so lokalpatriotische Wertschätzung wie Astra. Wer Astra trinkt, versteht sich als St. Paulianer, als Kiez-Gänger. Die ohnehin große Verbundenheit der Hanseaten mit ihrem Bier konnte durch die 1998 angekurbelte "Was dagegen?"-Kampagne noch gesteigert werden. Der drohende Wegfall der Brauerei in Kombination mit dem durch die Werbung projizierten Selbstverständnis als Rebellenmarke führte zum Erhalt von Astra. Der Hype um den Gerstensaft ist so groß, dass sich die Szene inzwischen abzuwenden beginnt, den Welt-Astra-Tag als bloßes Ärgernis empfindet. Mit dem Aufstieg des FC St. Pauli - der gedanklich sehr eng mit Astra verbunden ist - dürfte die Marke aber weiterhin gute Umsätze abwerfen, auch abseits des Nordens.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Unternehmen nicht beginnen, auf die Inhalte der von ihnen präsentierten Events einzuwirken, zu beschließen, dass Bands zu blutrünstig, antikapitalistisch oder freizügig für die eigene Corporate Identity sind. Schließlich gilt in der Wirtschaft ein ehernes Gesetz: Wer das Geld bringt, bestimmt auch die Ware.