Roswitha Quadflieg spricht bei den “Bildbeschreibungen“ im Literaturhaus über Munchs “Mädchen auf der Brücke“

Literaturhaus. Bilder und Literatur sind für Roswitha Quadflieg nicht getrennt zu denken. Als Buchkünstlerin und Schriftstellerin hat sie beides stets aufeinander bezogen gesehen. 30 Jahre lang hat sie in ihrer Verlagswerkstatt Raamin-Presse den Satz und Druck von Texten der Weltliteratur mit eigenen Originalgrafiken gestaltet und herausgegeben - unter anderem ein Kapitel aus Samuel Becketts "German Diaries" als kostbare Erstausgabe.

"Beckett hat mich auch auf das Bild 'Mädchen auf der Brücke' von Edvard Munch gebracht", erzählt Roswitha Quadflieg. Sie stellt das Gemälde in ihrem Essay "Verbotene Mädchen" heute Abend im Literaturhaus in der Reihe "Bildbeschreibungen" vor. Den Abend in Kooperation mit der Hamburger Kunsthalle moderiert deren Kurator für klassische Moderne, Ulrich Luckhardt.

"Best Munch I have seen", notierte sich Samuel Beckett bei seinem Hamburg-Besuch 1933 im Haus des Fisch- und Tranhändlers Jakob Hinrich Hudtwalcker. Bei seiner zweiten Deutschland-Reise 1936/37 waren Munchs Gemälde im Magazin der Kunsthalle verschwunden, obwohl Joseph Goebbels 1933 den schwedischen Maler zum 70. Geburtstag noch als einen germanisch wichtigen Künstler gewürdigt hatte.

"Ich komme von der bildenden Kunst, also eher vom Machen her als von der Theorie", sagt die diplomierte Designerin. Die 1949 in Zürich geborene Tochter des Schauspielers Will Quadflieg ist in Hamburg aufgewachsen, hat am Lerchenfeld Malerei, Illustration und Typografie studiert. Sie war international als Grafikerin tätig, illustrierte auch Michael Endes "Die unendliche Geschichte". In jedem von ihr gestalteten Sammlerstück versuchte sie ihre Techniken bis an die Grenzen des Möglichen und für sie Machbaren zu perfektionieren. Schließlich gab sie 2003 die Raamin-Presse auf. Die abwechselnd in Hamburg und Freiburg lebende Künstlerin widmet sich nun vollends dem Schreiben, verfasst Romane, Hörspiele und Theaterstücke.

In ihrem Essay "Verbotene Mädchen" über das in sechs unterschiedlichen Versionen existierende Munch-Gemälde lässt sie das Mädchen im weißen Kleid zum Betrachter sprechen. "Ich wollte das Bild nicht von außen betrachten oder wissenschaftlich analysieren, sondern das Bild selbst zum Sprechen bringen." In der Hamburger Fassung wendet sich das Mädchen dem Besucher zu, schaut ihm aus dem Rahmen entgegen. "Ich habe eine Geschichte aus Fakten und Fiktion geschrieben, in die ich auch biografische und historische Aspekte einfließen lasse." Quadflieg denkt durchaus wie eine Dramatikerin, die mit ihrer Fantasie die gemalten Figuren zum Leben erwecken und ihnen eine "kleine Bühne" geben will. "Mich hat interessiert, wie Munch die Mädchenfigur im Vordergrund dreht und sie mal mit oder ohne Hut abbildet." In Quadfliegs Text beschreibt sie sich und auch die Geschichte des Bildes und seiner Verwandlungen.

Sie spricht darüber, was sie in der Kunsthalle sieht, über die Atmosphäre. In einem Interview sagte Roswitha Quadflieg einmal über ihre Arbeit an Büchern, dass sie die Literatur auf ihre Bildfähigkeit abzuschmecken begonnen habe. Jetzt ist es umgekehrt. Nun versucht sie das Munch-Bild in Sprache zu übertragen, seiner literarischen Aussagekraft nachzuspüren und es in den richtigen Farben aus der unendlichen Skala der Wörter zu treffen.

Bildbeschreibungen: Roswitha Quadflieg heute, 20.00, Literaturhaus (Metrobus 6, Mundsburger Brücke, U 3 Mundsburg), Schwanenwik 38, Restkarten zu 6,- bis 10,-, T. 220 51 45; www.literaturhaus-hamburg.de