Kit Armstrong exekutierte Beethoven mit mathematischer Akkuratesse

Hamburg. Eine Kombination wie diese ist nahezu unschlagbar und tendiert dazu, sich jeder Kritik zu entziehen: Benefizkonzert - ungewöhnlicher Event-Ort - Wunderkind. Am Sonntagabend kam noch das (Un)wetter dazu: Draußen vor dem gigantischen Hangar von Lufthansa Technik in Fuhlsbüttel, hoch oben über mehreren dekorativ geparkten Großflugzeugen, verfinsterten dunkle Wolken den Himmel und ließen Regenschauer aufs Dach prasseln, die das Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) zeitweise um eine spannende Percussion-Komponente bereicherten. Alle, die drinnen saßen, waren froh über das gute Timing, trocken hergefunden zu haben und nun dem Wunderkind Kit Armstrong lauschen zu dürfen.

2000 Zuhörer waren gekommen, um sich der "Faszination Musik und Technik" hinzugeben und gleichzeitig Gutes zu tun. Je 35 000 Euro gingen dann auch an die Walter-und-Charlotte-Hamel-Stiftung, die junge Sänger fördert, und an die Stiftung phönikks, die jungen Familien hilft, mit der Diagnose Krebs fertig zu werden.

Musikalisch gab es weder im Programm noch in der Ausführung große Überraschungen. Jung-Pianist Kit Armstrong, am Abend zuvor mit dem Leonard Bernstein Award des SHMF ausgezeichnet, spielte Beethovens Drittes Klavierkonzert. Der 18 Jahre alte Meisterschüler - unter anderem unterrichtet und hoch gelobt von Alfred Brendel - absolvierte den Solopart mit der kühlen Präzision eines Uhrwerks und schien in den virtuos-vertrackten Kadenzen richtig aufzublühen. Befreit von allem gefühlsmäßigen Ballast der schicksalhaft raunenden Tonart c-Moll perlte sein Beethoven nur so dahin, mit der faszinierenden Akkuratesse einer Fingerübung und der kühlen Logik einer Mathematikaufgabe.

So viel Perfektion wirkte am Ende, über die ganze Strecke des Konzertes betrachtet, doch ein wenig brav und blass; gerade der eher verträumte zweite Satz blieb hübsch, dabei jedoch so keimfrei wie der Soundtrack zu einem Clearasil-Werbespot. Richtig unter die Haut ging das nicht, zu viel klang einfach nur beiläufig. Unverwechselbare Ecken und Kanten wird Kit Armstrong im Laufe seines Virtuosenlebens aber sicher noch suchen und finden.

Im zweiten Teil drehte das NDR Sinfonieorchester unter dem Generalmusikdirektor der Stuttgarter Staatsoper, Manfred Honeck, das bis dahin dezent begleitet hatte, richtig auf. Tschaikowskys außerordentlich eventtaugliche Fünfte Symphonie passte ja auch wie maßgeschneidert zum düsteren Wetter vor den gewaltigen Schiebetüren. Honeck entlockte dem Orchester eine sehr schlanke Version dieses russischen Musikdramas, sonnige Birkenwäldchen und düsterste Ahnungen inklusive - in feiner Spielkultur, aber doch nicht mit letzter Leidenschaft aus der gepeinigten Seele gepresst.

Großer Beifall in einer Halle, in der sonst Flugzeuge ihre konzentrierten Routinechecks durchlaufen.