Edgar Wallace' “Die seltsame Gräfin“ feierte umjubelte Premiere

Hamburg. Die Liebe spielt Familien von Stand oft schlimme Streiche. Es gilt den edlen Namen und das reiche Erbe zu bewahren. Und zwar mit allen Mitteln. Das war schon zu Märchenzeiten so und hat auch heute noch traurige Gültigkeit. "Die seltsame Gräfin" im Imperial-Theater gibt ein unterhaltsam-komödiantisches Beispiel für eine treu sorgende Rabenmutter, die über Leichen geht. Imperial-Chef Frank Thannhäuser hat den Thriller von Edgar Wallace als spannendes und pointenblitzendes Boulevardstück mit Knalleffekten bearbeitet, ausgestattet und inszeniert. Außerdem ist er bei der vom Publikum bejubelten Premiere als jovialer Bösewicht eingesprungen.

Eine hohe Knastmauer verstellt den Blick auf die Bühne. Das Bild lässt nichts Gutes ahnen. Wie die Haftanstalt erweist sich nämlich auch das noble Heim von Lady Moron am Chester Square als ein Gefängnis. Ihr Sohn Lord Selwyn, der sich in verdächtige elektrische Experimente, Theater- und Kino-Fantasien flüchtet, steht unter Aufsicht.

Der offenbar nicht ganz so ahnungslose Alleinerbe, ein hübsch dekadentes Muttersöhnchen (Alexander Grimm), bekommt in der Sekretärin Lois Reddle (Eva Wagner) eine attraktive, selbstsicher auftretende Rivalin und entdeckt in deren drolliger Freundin Lizzy (Jessica Zang) seine erste Liebe. Können da die Gräfin und der schurkisch dreinblickende Butler (Guido Maria Kober) tatenlos zusehen?

Elga Schütz gibt die herrschsüchtige Salon-Klytämnestra in kalt glitzernden Roben. Bei ihren aufwendigen Kostümen hat sich Regisseur Thannhäuser nicht lumpen lassen. Er zitiert jugendstilige Porträts von Aubrey Beardsley und Gustav Klimt in den verschwenderischen Glasperlen-Applikationen. Schütz trägt die Kleider mit Allüre und geistert in Beardsleys "Salome"-Pfauenmantel nächtens auf der Galerie herum. Beim tödlichen Katz-und-Maus-Spiel wechselt sie zwischen Kobracharme, ätzendem Spott und Kommandoton und stellt ihren feschen, smarten Widersacher Michael Dorn (Ulrich Schaller) sogleich in den Schatten.

Das Ensemble und der Regisseur schaffen immer wieder Distanz zur ziemlich vertrackten Story durch parodistisches Ausspielen der Elemente von Melodram, Mystery und Mordposse. Eva Wagner, Rotlockenköpfchen Zang und ihr Galan Grimm bringen bei ihren spritzigen Dialogen Lustspielwitz in den Krimi. Schließlich finden die kokette 35-Shilling-Tippse und der junge Lord über ihre, mit schelmischem Augenzwinkern vorgetragene Theaterschwärmerei zueinander. Zumindest auf der von Thannhäuser entworfenen, für einige Überraschungen sorgenden Bühne siegt die Liebe über wahnwitzigen Familiendünkel.

Die seltsame Gräfin: 26.-28.8., 2.- 4., 9., 10. u. 16.-18.9., jeweils 20.00, Karten T. 31 31 14; www.imperial-theater.de