Der thematische Schwerpunkt findet beim Sommerfestival Eingang in Tanztheater, Performance und kritischen Diskurs

Hamburg. Wasser ist ein großes Thema beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel: in der Kunst wie in der Theorie. Schneeflocken haben (auch) einen Schönheitseffekt, Sorbet bringt sinnlichen Genuss. Zoe Laughlin beweist in ihrer Lecture Performance "The Performativity of Matter", dass Experimente mit der Materie durchaus theatralische, ja sogar komische Wirkung haben.

Flüssigkeiten und Metalle wechseln unter bestimmten Bedingungen ihre Kristallstruktur und damit den Aggregatzustand. "Wenn es funktioniert, ist es Wissenschaft, wenn nicht, ist es Kunst", meint die Performerin. Wäre Chemieunterricht je so unterhaltsam, gäbe es keine Konzentrationsprobleme unter Schülern, auch weil Laughlin das Publikum zum Lektionsende mit Eiscreme verwöhnt, die sie mittels flüssigem Stickstoff hergestellt hat.

Mit ihrem Solo "Although I Live Inside ..." bringt die Tänzerin Sophiatou Kossoko das Publikum nicht nur gedanklich, sondern auch körperlich in Bewegung. Sie arrangiert Kinderplanschbecken zwischen den Zuschauern zu einem Wasserfall, fordert sie zum Füßewaschen und Mittanzen auf. Kossoko und die Choreografin Robyn Orlin verweigern das übliche "Vortanzen" eines Stücks und ernennen die Zuschauer zu Performern. Die Problematik des Wassers geht dabei allerdings in der Partystimmung unter. Momente skurriler Poesie gelingen Philippe Quesne und seinem Vivarium Studio in "Big Bang". Die Performer erobern sich nach dem Urknall die noch junge Welt, indem sie unter anderem Schlauchboote in einem Bühnensee stapeln und in fremde Galaxien aufbrechen. Ihr Minimalismus ist charmant und nachdenklich zugleich.

Für kritische Denkanstöße sorgen am frühen Abend auch der Soziologe Ernst Ulrich von Weizsäcker und der Hamburger Unternehmer Michael Otto. Treffend erläutern sie den Zusammenhang der Wasserproblematik, die eine Milliarde Menschen von der Ressource ausschließt, und der neoliberal ausgerichteten Ökonomie. "Wir brauchen mehr Wassereffizienz und eine Kultur der Genügsamkeit", fordert von Weizsäcker.

Dass Wasser nicht nur kontrovers verhandelt werden kann, sondern schlichtweg entspannt, beweist das Konzert der Berliner Band Wabash. Im Freiluft-Festivalzentrum spielen sie zwischen wild bewachsenem Kanal und alternativer Alsterfontäne ihre charmant dahinplätschernden Country-Weisen. Das von dem Quintett interpretierte Lied "Cold Water" aus dem 19. Jahrhundert allerdings handelt nicht vom reinen Wasser, sondern ist eine Anti-Alkohol-Hymne. Wer es weniger beschaulich mochte, konnte sich von der gebündelten Energie des US-Quartetts The Ettes umtosen lassen. Der herrlich dreckige Sound zwischen Garage- und Indie-Rock lässt keine Zweifel offen: Diese Band spielt lieber mit Feuer als mit Wasser.

Sommerfestival Sa: Zoe Laughlin 20.00; Philippe Quesne: Big Bang 21.00, Robyn Orlin/Sophiatou Kossoko 21.00, Konzert: 1000 Robota & Kammerensemble 22.00, Kampnagel, Jarrestraße 20, Karten T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de