Jonathan Safran Foer schreibt mit “Tiere essen“ ein Enthüllungsbuch über den Fleischkonsum

Der britische Popsänger Morrissey hat es Mitte der 80er-Jahre auf einen griffigen Songtitel gebracht: "Meat is Murder". Keiner kann sagen, er hätte es nicht gewusst. Längst ist die Welt informiert über den gewaltsamen Weg vom Tier zum Schinken, den Fluch der industriellen Massentierhaltung. Über Hühner, die ohne Tageslicht auf engem Rost vegetieren. Über Schlachtmethoden, die häufig versagen und noch lebende Rinder, Schweine oder Schafe der Häutungsmaschine überlassen. Über Thunfisch, der mit kiloweise Beifang in Netzen landet, welcher anschließend tot ins Meer zurückgekippt wird. Und über lange, verlustreiche Tiertransporte.

Die Mahner galten dennoch als komische Käuze und Spielverderber. Der Wohlstandsmensch liebt sein Steak. Doch die Zeiten ändern sich. Längst ist belegt, dass Fleischkonsum die Gesundheit, das Weltklima und für manche Glaubenrichtung auch das menschliche Karma ruiniert. Jetzt entzündet sich die Diskussion an einem Buch. Jonathan Safran Foer ist in den USA das Kunststück geglückt, mit "Tiere essen" die Öffentlichkeit aufzurütteln. Es gilt als sicher, dass das Buch auch hier, wo es heute erscheint, ein Renner wird. Und das vielleicht gerade, weil Foer kein Ernährungswissenschaftler, sondern ein Intellektueller ist. Foer, 33, Princeton-Absolvent mit Wohnsitz in New York, hat mit "Alles ist erleuchtet" und "Extrem laut und unglaublich nah" zwei Erfolgsromane geschrieben. "Tiere essen" ist sein erstes Sachbuch, eine Mischung aus persönlichem Bekenntnis und journalistischer Enthüllung. Die Dimension der reinen Fakten erweitert er um die ethische Tragweite von Entscheidungen wie jener, ob wir Fleisch essen oder nicht, denn: "Wenn nichts wichtig ist, gibt es auch nichts zu retten." Die Frage, was er seinem Sohn auf den Teller legen soll, gab den Anstoß, sich neu durch die Ernährungspyramide zu denken. Drei Jahre recherchierte er, jetzt will er, dass wir Farbe bekennen: "Sobald wir unsere Gabeln heben, beziehen wir Position."

Er möchte ein Umdenken anstoßen, verzeiht aber seiner Großmutter, dass sie sein Lieblingsgericht Hühnchen mit Möhren auch weiterhin kochen wird, weil sie zu alt ist, sich noch zu ändern. Jeder schrittweise Verzicht hilft, die Lage zu verbessern.

Von anderen Büchern zum Thema hebt sich "Tiere essen" durch seinen radikal subjektiven Schreibstil und exzellente Recherche ab. Selbst bekannte Fakten lesen sich eindringlich. Der Autor bekennt, Tiere eigentlich nicht gemocht, ja nicht einmal gekannt zu haben. "Ich fand sie lästig, schmutzig, vollkommen unzugänglich, furchtbar unberechenbar, schlicht und ergreifend überflüssig." Das hat sich geändert. Foer spricht von einem Krieg gegen die Tiere mit dem Namen "Massentierhaltung". Er lässt aufgeklärte Biofarmer genauso zu Wort kommen wie längst abgestumpfte Schlachthofmitarbeiter. Nachts bricht er mit einer Tierschützerin in eine Geflügelfarm ein. Drastisch schildert er die Tötungsmaschinerie der industriellen Massenproduktion. Foer stellt die richtigen Fragen, nach der Scham, die schon Kafka in seinen Tiererzählungen erwähnte. Einer Verantwortung vor "unsichtbaren anderen". Einer Grundlage des Ethischen. Für Foer entscheidet sich an der Behandlung der Tiere unsere grundlegende Fähigkeit, wie wir mit unserer eigenen Natur umgehen.

Die Intensivhaltung trägt mehr zur Erderwärmung bei als alle Autos dieser Welt. Die Massentierhaltung ist für 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gleichzeitig wird ein Drittel der Erdoberfläche nicht für den Anbau von Menschennahrung, sondern für die Viehzucht und den Anbau von Tierfutter genutzt. Neu-Vegetarier Foer: "Es gibt keinen guten Weg, um sechs Milliarden Menschen mit 50 Milliarden Tieren zu ernähren. Also müssen wir es lassen."

Jonathan Safran Foer Tiere essen. Übersetzt von Isabel Bogdan, Ingo Herzke, Brigitte Jakobeit. Kiepenheuer & Witsch, 352 Seiten, 19,95 Euro