Hamburg. Die Bühne ist dunkel, die Anspannung greifbar. 15 Jahre hatte die norwegische Band Ulver kein Konzert mehr gespielt, aber jetzt ist sie für einen Auftritt nach Deutschland gekommen. Das Publikum auf Kampnagel, zu 80 Prozent mit schwarzen Metal-T-Shirts bekleidet, obwohl Ulver längst keinen Metal mehr spielt, weiß nicht recht, was es erwartet, als das kurzfristig zum Sextett erweiterte Trio um kurz nach neun loslegt.

Ein seltsamer Anblick ist das. Alle Musiker stehen, nur punktuell beleuchtet, an den äußeren Rändern der Bühne, die Mitte bleibt frei und wird auch von Sänger Kristoffer Rygg nicht betreten. Im Hintergrund läuft während der folgenden 90 Minuten ein Video, zu dessen Bildern Ulver eine Art Live-Soundtrack spielt. Verhalten geht es los mit einem Sonnenuntergang, doch nicht lange, und die brillant aneinandergeschnittenen Sequenzen werden drastischer: ein Löwe, der in Zeitlupe ein Zebra reißt, seltsame Larven, Augen in Nahaufnahme, ein Mann, der sich in der Badewanne die Pulsadern aufschlitzt, dazu die Einblendung "Can you help me?". Keine Frage, Optimismus sieht anders aus - und klingt auch anders. Vom melancholischen Neofolk des letzten Studioalbums ist wenig zu hören, stattdessen dominieren Industrial-Klänge, die an Bands wie Coil, Psychic TV, SPK und Laibach erinnern.

Im Hintergrund geht es derweil noch eine Ecke kontroverser zu. Die eleganten Turmspringer scheinen aus Leni Riefenstahls "Olympia"-Filmen zu stammen, und sind die ins Video montierten fröhlichen Jungs nicht Mitglieder der Hitlerjugend? Doch dann die Reißleine: Eine Schrifttafel lässt wissen: Da man sich in Deutschland befinde, werde heute auf Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg verzichtet. Ein kurz aufscheinender Leichenberg lässt jedoch ahnen, was zu sehen gewesen wäre. Puh, harte Kost, aber in sich stimmig, weil Ulver ganz offensichtlich den Menschen als des Menschen schlimmsten Feind betrachtet. "What kind of animal are you?", fragt eine Schrifttafel ganz zum Schluss, nachdem zwischendurch immer wieder flackerndes Scheinwerferlicht die Zuschauer geblendet hatte. Die Antwort muss jeder selber finden, aber für fröhlich-optimistische Selbsteinschätzungen ist nach dieser Show eher kein Platz.