Kultur erfahren in Bremen: Das Focke-Museum zeigt 220 Aufnahmen des Fotoreporters Robert Lebeck aus den Jahren 1955 bis 2005.

Focke-Museum. "Ich fixiere, was ist", hat Robert Lebeck einmal zu seiner Arbeitsweise gesagt, ganz so, als ob das kinderleicht wäre. Aber die schlichte Beschreibung trifft den Kern der Sache, denn Lebecks Fotografien sind keine künstlerische Inszenierungen, sondern Dokumente der Wirklichkeit, freilich von hohem ästhetischem Reiz. Die große Kunst dieses von den 50er- bis zu den 80er-Jahren wohl einflussreichsten deutschen Fotoreporters besteht vor allem darin, Situationen als Motive zu erkennen, die ein Geschehen nicht nur abbilden, sondern es für den Betrachter nacherlebbar werden lassen. Viele seiner überwiegend schwarz-weißen Fotografien sind fast schon Sinnbilder, da sie eine politische Situation, ein historisches Geschehen oder eine gesellschaftliche Entwicklung so auf den Punkt bringen, dass man sie selbst im Abstand von Jahrzehnten noch nachfühlen und zu durchschauen meint.

Nachdem der Berliner Gropius-Bau 2008 Robert Lebeck mit einer großen Retrospektive gewürdigt hatte, zeigt nun das Focke-Museum in Bremen eine ähnlich ambitionierte Schau. Mit 220 Fotografien wird das Schaffen des Fotoreporters im Zeitraum von 1955 bis 2005 nachgezeichnet und jeweils in thematischen Blöcken präsentiert. Das entspricht seiner Arbeitsweise, denn Lebeck war jahrzehntelang als Reporter in vielen Teilen der Welt unterwegs und hatte dabei Gelegenheit, sich intensiv mit einem Thema, einem Land und einer ganz bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Entwicklung auseinanderzusetzen.

Er wurde 1929 in Berlin geboren und musste 1944 noch als Flakhelfer und Soldat an die Front, ein prägendes Erlebnis. Nach Kriegsende studierte er zunächst Ethnologie und Geografie und begann ab 1952 zu fotografieren. Ein Bild von Konrad Adenauer, das er in Baden-Baden aufnahm, wurde auf der Titelseite der "Rhein-Neckar-Zeitung" gedruckt. Lebeck stellte sein außerordentliches Können schnell unter Beweis, er arbeitete als Fotoreporter für die Zeitschriften "Revue", "Kristall", am längsten aber für den "Stern".

Im Dämmerlicht der beiden großen Bremer Ausstellungsräume, die aus konservatorischen Gründen auf eine Beleuchtungsstärke von nur 40 Lux heruntergedimmt sind (zum Vergleich: Das Licht einer Leselampe leuchtet mit etwa 300 Lux), können die Bilder eine besonders intensive Wirkung entfalten. Man steht davor, betrachtet sie und spürt den Geschichten nach, die sie erzählen.

Etwa bei dem "Gestohlenen Säbel des Königs", einem seiner berühmtesten und am meisten gedruckten Fotos: Am 29. Juni 1960 war Lebeck nach Léopoldville (dem heutigen Kinshasa) gereist, um über die Parade zu berichten, mit der die Entlassung der belgischen Kolonie in die Unabhängigkeit gefeiert wurde. Zu den "Hauptdarstellern" dieses historischen Ereignisses gehörte der belgische König Baudouin, der im offenen Wagen durch die Stadt gefahren wurde. Lebeck hielt sich unmittelbar hinter der Staatskarosse auf und beobachtete einen Afrikaner, der im Vorübergehen den Säbel des Königs an sich riss. "Der 'Dieb' rannte auf mich zu, und da habe ich intuitiv auf den Auslöser gedrückt, als Einziger", erinnerte er sich in einem Interview.

Interessant ist der direkte Vergleich der Fotoabzüge mit den Reportagen in "Kristall" oder im "Stern", für die sie entstanden sind. Manchmal waren es glückliche Umstände, die es Lebeck ermöglicht haben, herausragende Bilder zu fotografieren, vor allem aber war es sein unglaubliches Gespür, die Bedeutung einer Situation zu erkennen und im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. Und sein Gespür für Menschen. Zu den stärksten Momenten der Ausstellung gehören die Porträts, die stets Persönlichkeitsstudien sind: ein Bild von Willy Brandt, der ganz in sich versunken zu sein scheint, ein Porträt von Horst Janssen, das die ganze Zerrissenheit seiner Persönlichkeit sichtbar werden lässt, oder das wunderbare Bild, auf dem Lebeck Alfred Hitchcock 1960 bei einem Hamburg-Besuch durch die nur einen Spalt geöffnete Tür einer Hafenbarkasse blicken lässt.

"Es gibt Aufnahmen von Robert Lebeck, die hat man einmal gesehen und vergisst sie nie wieder", meint Kuratorin Karin Walter - ein Eindruck, der sich beim Besucher der Bremer Ausstellung immer aufs Neue bestätigt.

Robert Lebeck. Fotografien bis 15.8., Di 10.00-21.00, Mi-So 10.00-17.00, Focke-Museum, Schwachhauser Heerstraße 240, Bremen, Infos im Internet unter www.focke-museum.de