Die forsche Festspielleiterin Katharina Wagner schafft neue Sitten und neuen Knatsch zwischen Chefetage, Regieteam und den Mäzenen Bayreuths.

Bayreuth. "Meine Schwester und ich sind relativ irritiert darüber, dass unser Kranksein von Leuten, die sich 'Freunde' nennen, mit Gelächter und Buhrufen abgetan wird. Meine Schwester lag im Krankenhaus und ich hier im Büro, Beine hoch. Es ist doch ein Unterschied, ob ich krank bin oder bloß keine Lust habe. Genesungswünsche der 'Freunde' sind keine zu uns gedrungen", erzählt Festspielleiterin Katharina Wagner im Abendblatt-Interview. Und man ahnt: Der Haussegen am Grünen Hügel hängt schief.

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Diesmal ist es weder Familienknatsch noch ein Streit um die künstlerische Qualität der Festspiele. Die sind mit Hans Neuenfels' großartigem "Lohengrin" bestens angelaufen und setzen mit Debütanten wie John Botha als Siegmund klare Glanzlichter. Stattdessen rumort es hinter den Kulissen.

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Der Neubau einer modernen Probebühne verzögert sich, weil der traditionelle Verein der Mäzene, die "Gesellschaft der Freunde Bayreuths", sich querstellt. Sie gaben in den vergangenen 60 Jahren 55 Millionen Euro, die "Freunde" sind Mitgesellschafter mit 25 Prozent und bekommen mehr als 24 Prozent aller Eintrittskarten für ihre Mitglieder. Zur Mitgliederversammlung kommen gewöhnlich auch die Festspielleitung und das Premieren-Regieteam. Diesmal kamen sie nicht - das sorgt für Unmut.

Eine Art Liebesentzug wird auf beiden Seiten diagnostiziert: angeblich sträfliche Abwesenheit hier, Ärger über neue Sitten dort. Katharina Wagner: "Man hat das Gefühl, die GdF (Gesellschaft der Freunde, d. Red.) macht Dinge nicht mehr, die von Mitgliedern gewünscht werden. Zum Beispiel den Künstlerempfang. Deshalb haben wir den dem neuen Verein ,TAff' (Team der aktiven Förderer der Festspiele, d. Red.) angeboten, der sich darüber sehr gefreut hat. Die GdF muss nun selbst entscheiden, was es mit ihr gibt und was nicht. Wir hören da inzwischen oft ein Nein. Deshalb steht der neue Verein für eine bestimmte Nähe zur Festspielleitung, die früher immer da war."

Ein kleinkarierter Knatsch zwischen reichen Mäzenen und einer forschen Festspielchefin ist das nicht; es geht um mehr. Sie klagt: "Der Platzmangel ist ja evident - das Zögern bei der Baumaßnahme trifft unsere Arbeit und die Künstler. Wie lange machen die das mit?" TAff setzt offenkundig auf eine Abstimmung mit den Füßen. Auch ein ehemaliges und im Zorn ausgeschiedenes GdF-Vorstandsmitglied und Star-Dirigent Christian Thielemann wollen ihn unterstützen; seit dem 27. Juli ist der Verein eingetragen. Dreistellig soll die Zahl der Eintrittswilligen schon sein.

Die stärkste Unterstützung für TAff wäre ein Kartenkontingent, das die zehn Jahre abkürzen kann, die man sonst auf Bayreuth-Karten warten muss. Die "Freunde" haben es, TAff noch nicht. Katharina Wagner schließt nichts aus: "Der neue Verein wird sich vor allem durch Dinge definieren, die bei der GdF nicht mehr da sind - eine gewisse Nähe, mal eine Probe besuchen. Mit Karten muss man schauen: Wie entwickelt sich der neue Verein, wie die GdF? Dann wird man sicher auch mal darüber sprechen können." Eine Götterdämmerung müssen die "Freunde" also nicht gleich fürchten. Aber man spürt die neue Denkmöglichkeit, den Verein stärker zu fördern, der die Festspiele verlässlich unterstützt.

Bewegung gibt es auch bei einem anderen Thema, das Katharina Wagner umtreibt: die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die nach dem Krieg von Wieland und seinem Bruder Wolfgang weitgehend tabuisiert wurde. Die neue Chefin hat den Journalisten Peter Siebenmorgen benannt, er soll das Projekt leiten und von den Festspielen unabhängige Gelder dafür einwerben. Wie kam sie auf ihn? "Er hat schon öfter Filme zum Thema Bayreuth gemacht, und ich weiß, dass er sehr sauber und ordentlich recherchiert. Ich weiß auch, dass er ein großes historisches Interesse und Wissen hat sowie die Kontakte zu führenden Wissenschaftlern. Und er hat hier schon mal in die Archive geschaut." Und warum die Entscheidung auch für den Stuttgarter Professor Wolfram Pyta? "Das ist ein führender Historiker in Deutschland und, glaub ich, schon der richtige Mann." Warum wurde das Projekt nicht ausgeschrieben? Bei Siebenmorgens Konzept habe sie überzeugt, "dass er nicht Leute aussucht, und nur die forschen. Er will immer wieder offene Round Tables machen, wo jeder Fragen stellen kann." Und die Mitglieder der Familie Wagner, Gottfried und Nike, die sich schon lange mit Fragen der Bayreuther NS-Vergangenheit beschäftigt haben? "Ich denke, Herr Siebenmorgen hat die schon angesprochen. Das habe ich angeregt, und das tut er auch. Es sollen ja auch Bayreuth-kritische Historiker mitmachen." Noch aber werden zum Beispiel die Nachlässe von Winifred und Siegfried Wagner vom Familienstamm von deren Tochter Verena Lafferentz unter Verschluss gehalten. Katharina Wagner: "Ich kann nur darum bitten, dass sie herausgegeben werden. Wir haben, hier im Festspielhaus und auch drüben im Privathaus, alle Türen geöffnet."

2013, zum Wagner-Jahr, soll es einen großen Round Table geben, der einen Zwischenstand zur Diskussion stellt. "Ich rechne aber nicht damit, dass 2013 schon alles vorliegt. Zeitdruck bringt aber nichts außer der Versuchung, unsauber zu arbeiten."