Hamburg. Ein monumentales und forderndes Werk ist es, das "Polnische Requiem" von Krysztof Penderecki, das im fast voll besetzten Michel unter der Leitung des Komponisten aufgeführt wurde. Entstanden zwischen 1980 und 1984, beschwört es entlang des Textes der lateinischen Totenmesse in der für Polen typischen Mischung von Katholizismus und politischer Leidensgeschichte den Freiheitsdrang der Menschen. Die Chorempore reichte nicht aus, um die etwa 150 Musiker zu fassen; das umfangreiche Schlagwerk wurde auf die Nebenempore ausquartiert. Penderecki reizte das Instrumentarium voll aus: So viel musikalisches Höllenfeuer loderte nie zuvor im Michel.

Einzelne Sätze sind direkt durch die polnische Historie inspiriert: Das "Lacrimosa" entstand für Lech Walesa und die "Solidarnosc" und soll an den 1970 niedergeschlagenen Aufstand der Danziger Werftarbeiter erinnern. Das "Agnus Dei" schrieb Penderecki nach dem Tod von Kardinal Wyszynski 1981, das "Recordare, Jesu pie" zur Heiligsprechung Maximilian Kolbes 1982. Zum 40. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Getto kam 1984 das "Dies irae" dazu, eine Ciaccona zuletzt für den polnischen Papst Johannes Paul II. Und "Swiety boze", eines der zentralen Kirchenlieder Polens, bekräftigt das Band an die Heimat noch einmal.

Die Tonsprache Pendereckis schöpft aus vielen Quellen, entspringt deutlich der Spätromatik, hat tiefe Wurzeln bei Bach, scheut weder das Bildhafte und Populäre noch den Gestus der Überwältigung. Sie kennt aber auch zartes Flirren - und Heulen und Zähneklappern in der Furcht des Jüngsten Gerichts ließen niemanden kalt.

Der Warschauer Philharmonische Chor, die NDR Radiophilharmonie und ein vorzügliches Solisten-Quartett stemmten das fast zwei Stunden dauernde Werk in Sphären weit über dem recht statischen Dirigat des Komponisten. So wurde die Aufführung, auch wenn die hallige Michel-Akustik Details verwischte, einer der Höhepunkte des Schleswig-Holstein Musik Festivals und mit bewegtem Applaus bedacht.