Das Internationale Sommerfestival präsentierte starke Handschriften und sehr persönliche Arbeiten

Hamburg. Nach dem Auftakt mit künstlerischen Positionen zu Individuum und Gesellschaft widmete sich das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel am Wochenende individuellen Alleingängen mit starker Handschrift. Gut gefüllt präsentiert sich der Saal beim ersten theoretischen Festivalbeitrag zum Schwerpunktthema "Wasser" von Tony Allan. Der emeritierte Professor vom Londoner King's College erläuterte den von ihm geprägten Begriff des "virtuellen Wassers", das nicht direkt in einem Produkt zu finden ist, sondern in die aufwendige Herstellung fließt. Überzeugend plädiert der erfahrene Allan für eine fleischlose Ernährung, die den Wasserverbrauch zu Ernährungszwecken um die Hälfte minimieren würde.

Im Tanz hingegen zählen Körperlinien und Proportionen. Mit hängenden Armen steht Cédric Andrieux im Zentrum der leeren Bühne. Sporttasche und Wasserflasche sind die unentbehrlichen Trainingsrequisiten. In seinem mit Jérome Bel entwickelten Solo "Cédric Andrieux" demonstriert der blonde Bretone auf charmant schüchterne Art: Der Tänzer ist Körpermaterial für Choreografen, jedenfalls für einen manischen Tanz-Konstrukteur wie Merce Cunningham.

Andrieux zeigt, wackelig und schwer atmend, wie er am Computer simulierte Bewegungen möglichst exakt ausführt. Die reine Tortur. "Die Momente des Scheiterns interessierten Cunningham", erzählt Andrieux. Musik, Emotion oder Interpretation waren nicht gefragt. Mit 30 Jahren steigt Andrieux aus der Kompanie aus. Er kehrt zurück nach Frankreich, wo er endlich Stücke tanzt, die stärker der natürlichen Bewegung folgen. Andrieux und Bel entlarven, zum Verdruss einiger Zuschauer verpackt in eine Anti-Tanz-Vorstellung, die Kehrseite einer Kunst, die immer vorgeben muss, ohne Anstrengung pure Schönheit zu sein. Sie liefern einen ehrlichen, berührenden Blick hinter die Kulissen des auf Selbstausbeutung basierenden Hochleistungssports. Das kostet mehr Courage, als sich als Virtuose zu exhibitionieren.

Mutig sind auch die kosmopolitischen Klänge zu nennen, die Grey Filastine, DJ aus Barcelona, in aller Welt zusammenklaubt. Zu später Stunde serviert er ein berückendes Klanghybrid aus Arab-Pop, Störgeräuschen und melodramatischen Klassik-Schnipseln.

Kunst mit starkem persönlichem Anstrich, die wie bei dem maritimen Hörspiel "Eiland" der Gruppe Ligna gleichzeitig Kunst für einen einzelnen Zuschauer ist, ruft mitunter sogar die Obrigkeit auf den Plan. So wird das Hörerlebnis eines Teilnehmers auf dem schwimmenden Ponton am Rande der Außenalster am Freitag durch den Besuch eines Beamten der Wasserschutzpolizei unterbrochen. Aber nur kurzfristig. Die Show geht weiter.

Internationales Sommerfestival Hamburg: bis 28.8., Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 22-24, T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de