Beim SHMF überzeugt Zoryana Kushpler mit Mussorgski-Liedern

Travemünde. Den Sprung an die Hamburger Musikhochschule und von dort in weniger als zehn Jahren ins Ensemble der Wiener Staatsoper - die aus der Ukraine stammende Mezzosopranistin Zoryana Kushpler hat ihn geschafft. Wer ihre strahlende, kraftstrotzende Stimme hört, weiß sofort: Die gehört wirklich in ein Opernhaus, in ein großes Opernhaus. Der kleine Festsaal des Travemünder Hotels Columbia setzte ihr doch arg enge Grenzen für den Liederabend, den sie mit ihrer Zwillingsschwester Olena (die ideale und feinfühlige Begleiterin am Flügel) im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals gab.

Zoryana Kushplers Stimme blüht in dramatischen Rollen auf. Die vorbarocken Lieder zu Beginn, sogar noch die beiden Händel-Arien aus "Giulio Cesare" fordern hörbar nicht die stärksten Facetten ihres Könnens ab - zu sehr schiebt sich das rasche Tremolo und der dramatische Tonansatz in eine Musik, die doch Melancholie, zarte Hoffnung oder dezentes Schmachten vorführt.

Am rechten Ort war das alles bei den liebestrunkenen Gesängen des selten gehörten Marcel-Proust-Freundes Reynaldo Hahn. Hier, wo die Spätromantik das Drama in vielfarbigen Spielarten auch musikalisch entfaltet, blitzte das theatrale Talent der Sängerin zum ersten Mal auf. Doch vier Lieder Gustav Mahlers zeigten, wie viele Nuancen des Ausdrucks in den leiseren Passagen verblassen, wenn eine Stimme so eindeutig auf Durchsetzungskraft ausgerichtet ist. Da leuchtete das finale "Urlicht" keine allerletzten Gewissheiten aus - zu viele Feinheiten blieben ungesungen.

Das alles aber machte das Heimspiel des "Kinderstube"-Zyklus von Modest Mussorgski wett: Jedes dieser russischen Lieder ist ein eigenes Mini-Drama aus Kindersicht, wie geschaffen für die Opernsängerin, die ihr Publikum mitriss in den ganzen Kosmos kindlichen Erlebens und dabei charmant demonstrierte, womit sie die Zuhörer einfängt: spielerische Präsenz, erzählerisch klare Färbung der Stimme, Ausagieren von Gefühlen, satte Tiefe im Mezzo, Stimmgewalt. Da blieb kein Wunsch offen, das war perfekt. Riesiger Beifall, Blumenberge, zwei Zugaben, und dann gab's noch den mit 10 000 Euro dotierten Förderpreis der Walter-und-Charlotte-Hamel-Stiftung mit der Laudatio von Ex-Musikhochschulpräsident Hermann Rauhe.