Große Empörung beim Schleswig-Holstein Musik Festival, weil die CDU/FDP-Regierung in Kiel das Gut Salzau kulturfrei verkaufen will

Salzau. In der Konzertscheune von Salzau kocht die Luft; Christoph Eschenbach probt mit den jungen Musikern der Orchesterakademie des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) für dessen Jubiläumskonzert am Sonntag. Die Proben sind öffentlich, gut zwei Drittel der 650 Plätze hier sind belegt von Urlaubern und Musikschülern. Politiker sind hier keine, die haben anderes zu tun: Die Regierung in Kiel will das Landeskulturzentrum Gut Salzau verkaufen und dabei auch die Bindung des Ortes an kulturelle Zwecke aufheben. Satte 200 000 Euro pro Jahr könne man so sparen; nötige Investitionen etwa in den Brandschutz auch. Kulturstaatssekretär Eckhard Zirkmann, der Aufsichtsratsvorsitzende des Landeskulturzentrums, verkündete: "Wir streben den Eintritt in die Liquidation zum Ende des Jahres an."

Die Musiker sind empört: "Die machen hier etwas kaputt, das mit Geld doch gar nicht zu bezahlen ist. Salzau und wir Musiker haben Schleswig-Holstein doch erst auf die musikalische Landkarte der Welt gesetzt", poltert der Festival-Liebling und österreichische Schlagzeug-Star Martin Grubinger. In Kiel haben sie schon protestiert - und sind bisher auf taube Ohren gestoßen.

"Salzau ist das Herz des Festivals, es symbolisiert exakt, was dieses Festival ausmacht. Das kann man nicht einfach herausreißen oder anderswohin verpflanzen", sagt Christoph Eschenbach. "In Salzau wächst jedes Jahr eine einmalige Gemeinschaft zusammen. Überall auf der Welt treffe ich Musiker, die von Salzau schwärmen."

Acht Wochen lang sind 120 ausgewählte Instrumentalisten aus 30 Ländern der Welt hier zu Gast, arbeiten hier mit Top-Dirigenten, spielen Konzerte. Sie proben und üben, wohnen und essen gemeinsam in dem alten Herrenhaus.

Instrumentengruppen verteilen sich auf seine Säle; die Musiker üben in ihren Zimmer, wo sie zu zweit, aber auch schon mal zu fünft oder sechst zusammenwohnen - Jugendherbergs-Charme mit Schloss-Ambiente. Abends sitzt man lange zusammen, redet, musiziert und knüpft nebenbei ein Netzwerk, das im Beruf mal sehr nützlich ist.

Leonard Bernstein und Festival-Gründer Justus Frantz hatten die Idee zu dieser Akademie im Grünen, 1987 leitete Bernstein, der charismatische Dirigent und Musikvermittler, die erste Akademie - hier draußen, 20 Kilometer östlich von Kiel, dicht beim Selenter See. Bernstein ist auch heute präsent - das Orchester probt gerade seine explosiven "Symphonic Dances" aus der "Westside Story". Und man denkt: Welche Lawine würde der impulsive Maestro wohl lostreten, um Salzau zu retten?

SHMF-Intendant Rolf Beck ist bestürzt, weil das Nachdenken über die Zukunft von Salzau so ganz ohne Dialog mit dem SHMF stattfindet. Dabei gibt es viele Ideen, bis hin zu einem Tagungszentrum, das auf guten Standard gebracht wird und Wirtschaftsleute neben den Musikern als Gäste hätte, so wie das Banff Centre in Kanada. "Selbstverständlich kann Salzau überleben, wenn man uns die Chance gibt. Dafür muss", sagt er, "die Bindung an kulturelle Zwecke bleiben." Doch derzeit kämpft Beck sogar darum, dass es hier überhaupt noch Festival-Konzerte gibt.

Die Orchester-Akademie muss - Brandschutz! - 2011 in jedem Fall nach Lübeck ausquartiert werden; in der Stadt aber, so befürchten alle, läuft man abends auseinander; der Salzau-Spirit würde zerbröseln. Noch hoffen Beck, Eschenbach, Grubinger und die Musiker auf einen Dialog, um dieses Stück gelebte Musik-Kultur zu retten, auf das die Minister in Kiel doch stolz sein sollten. Die Salzau-Fans wollen kämpfen.