Endlich wird “Dark Night Of The Soul“ veröffentlicht. Zunächst erschien das Projekt nur als Buch. Eine der reichhaltigsten Platten des Jahres.

Es geht eher um die Schattenseiten und das, was jenseits von jedem liegt, das Dunkle, in die tiefen Schluchten der Seele eingelassene Schimmernde. Das Cover von "Dark Night Of The Soul" zeigt eine Hand, die ins Düstere greift, nur der Daumen ist hell. Auf der Hand steht die Figur eines Schafes, vielleicht ist es aber auch ein Lamm? Allfällige Deutungen sind willkommen, das leuchtende Lamm hat doch etwas sehr Unschuldiges. Die naive Reinheit des Künstlers, sie ist bestimmt auch gemeint, und die durch die tragische Geschichte zweier an dieser Platte Beteiligter beglaubigte Schicksalsschwere gibt der triefenden Melancholie der Songs eine gewisse Dringlichkeit.

"Dark Night Of The Soul" ist eines von vielen Projekten des Musikers und Produzenten Brian Burton, er arbeitete diesmal mit Sparklehorse-Kopf Mark Linkous und David Lynch zusammen. Mark Linkous ist, genauso wie Vic Chesnutt, mittlerweile nicht mehr unter den Lebenden - für sie ist die CD ein Vermächtnis. Sie ist bereits im vergangenen Jahr erschienen, da aber auf nicht alltägliche Weise, und hier schließt sich der hermeneutische Zirkel, der zwischen Produzent und Rezipient besteht. Denn der Sinn der Platte besteht auch darin, dass sie jetzt eben doch beim Großlabel EMI erscheint.

Zunächst kam das Werk als Buch mit Lynchs Fotografien heraus, bereichert um eine CD-R. Deren Nutzen wurde mit einer Aufschrift verdeutlicht: "For Legal Reasons, enclosed CD-R contains no music. Use it as you will." Warum die CD nicht normal erschien, wert war sie das ja allemal? Weil Burton, der unter dem Namen Danger Mouse schon einige Großtaten vollbracht hat, sich mit der Plattenfirma wegen irgendwelcher Verpflichtungen kabbeln musste. Die 13 von Danger Mouse und Linkous geschriebenen Songs schwirrten durchs Netz: Kollaborationen mit namhaften Musikern wie Wayne Coyne von den Flaming Lips, Gruff Rhys von den Super Furry Animals und Julian Casablancas von den Strokes.

Am wichtigsten war allerdings das Mitwirken von Filmemacher David Lynch, dessen Fotos dem Projekt einen synästhetischen Charakter verleihen: was fürs Auge, was fürs Ohr. Was fürs Herz - es wurde einem schwer, als sich im Dezember erst Vic Chesnutt, auch er singt einen der Songs auf "Dark Night Of The Soul", mit einem Medikamentencocktail ins Jenseits beförderte. Und dann, als sich drei Monate später Mark Linkous, der depressive Songwriter, vor dem Haus eines Freundes ins Herz schoss. Der beiden Toten wird auf der Rückseite der CD gedacht. Es ist ein wenig zynisch, dass "Dark Night Of The Soul" jetzt offiziell veröffentlicht wird, wo dem Werk aufgrund der persönlichen Tragödien größere Aufmerksamkeit gewiss ist.

Sei's drum, der versammelte Weltschmerz solch unterschiedlicher Künstler wie Chesnutt und Suzanne Vega verliert seine Wirkung ja nicht durch die kapitalen Kalamitäten der Entstehungsgeschichte. Die Texte wurden jeweils von den Gastsängern geschrieben. Die Kompositionen stammen von Danger Mouse und Linkous, sie ergeben zusammen ein stimmiges Ganzes.

Der schleppende, somnambule, bisweilen aber auch knarzende Sound des Sparklehorse-Mannes Linkous passt perfekt zum lässig tropfenden, pluckernden Danger-Mouse-Sound. Die meisten Stücke sind im Midtempo gehalten. Bemerkenswert ist, dass die jeweiligen Interpreten den Songs so sehr ihren Charakter aufdrücken, dass beispielsweise "Just War" auch auf einem Super-Furry-Animals-Album und "Revenge" auf einem Flaming-Lips-Album sein könnte. "Dark Night Of The Soul" ist eine der reichhaltigsten Platten, die zuletzt erschienen sind; die Klasse der einzelnen Songs verschwindet nicht hinter dem Gesamtkonzept.

Mit James Mercer von den Shins arbeitete Danger Mouse zuletzt ziemlich erfolgreich zusammen, dieses Projekt nennt sich bekanntlich "Broken Bells" und ist nur ein weiterer Teil des forcierten Indie-Namedroppings, das mit "Dark Night Of The Soul" einhergeht. Mercers "Insane Lullaby" ist einer der fröhlicheren Beiträge, während die von Lynch in einer Art Sprechgesang - ordentlich verzerrt! - den Grund schwanken lassen, auf dem wir gehen. Der Text des Titelstücks ist so bedrohlich wie nur irgendeiner, Zeugnis eines bedrängten und isolierten Ichs: "Distant bell ringing / But steps echo / No one on these streets / Callin' out your name / It's a dream world / Dark dream world / Dark night of the soul".

Wenn man diese Musik hört, läuft das Kopfkino automatisch mit. Die Bilder taumeln meist, aber zum Glück meldet sich auch Iggy Pop zu Wort. Dann wird das Tempo angezogen, und die vorher noch um alle Erscheinungen wabernden Nebelschwaden sind wie weggeblasen.

Danger Mouse and Sparklehorse: "Dark Night Of The Soul" (EMI)