Sofia Kourtesis will die legendäre Beatles-Stätte Indra auf dem Kiez mit ihrem Club Mondial und viel Indie-Elektro-Pop zu neuem Leben erwecken.

Hamburg. Für Standardtänze existieren diese Schrittschnittmuster, die mit gestrichelten Linien den Weg vorzeichnen, den die Füße zur Musik nehmen sollen. Wer Sofia Kourtesis verfolgt, wie sie auf ihren Leinenplateauschuhen lässig durchs Indra läuft, sieht, wie eine ganz eigene Choreografie entsteht. Flugs ein Wasser für den Gast. Schnell noch ein herzliches Hallo an den Musiker, der auf einem Sofa entspannt. Weiter aus dem Dunkel des Klubs in den sonnendurchfluteten Biergarten, wo Geschäftspartnerin Heba Fouani am Laptop arbeitet.

Der Tanz- und Konzertsaal an der Großen Freiheit, wo die Beatles 1960 in Hamburg debütierten, ist die neue Schaltzentrale der Agentur Pop Mondial, die sich mit Indra-Betreiber Orhan Sandikci "verheiratet hat", wie Kourtesis es formuliert. Tagsüber "büroarbeitet" ihr Team in den musikhistorischen Räumen für die Party in der Nacht.

Die zierliche Kourtesis mag den großen Auftritt. Das ist gut. Nicht nur weil so wenige Frauen derart selbstverständlich im Musikzirkus mitmischen. Sondern weil Pop Glamour braucht. Allein ihr riesenschwungvoller Wimpernschlag um große braune Augen dürfte in so manchem Männerherz einen Sturm auslösen. Augen wie Discoscheinwerfer. Die 27-Jährige ist personifizierter Pop. Sie bucht, plant, produziert, spielt, filmt, entwirft und lebt ihn. Meist in der eigensinnigeren Variante, dem Indie- und Elektro-Pop.

Wenn Kourtesis Platten auflegt, nennt sie sich Miss Sofie. Und als solche bespielt sie mit ihrem DJ-Team "Death By Pop" am 6. August das Indra, um die neue Party- und Konzertreihe Club Mondial mit reichlich Wumms zu eröffnen. Zudem ist die Indie-Formation Late Of Pier live auf der Bühne zu erleben. Im stilvoll verkitschten Varietédesign mit Kronleuchtern und roten Wänden möchte Kourtesis dem legendären Kiez-Ambiente neuen Glanz und alte Würde verleihen. Ähnlich der Aura der Prinzenbar, ihrer alten Klubheimat.

Für den mit Putten verzierten Laden in der Kastanienallee sowie für die größeren Hallen Docks und Große Freiheit buchte Kourtesis fast sechs Jahre lang Bands. Anfangs parallel zu ihrem Filmstudium. Zuletzt organisierte sie das "Play Winter"-Festival, eine Indoor-Alternative zu Sommer-Open-Airs wie dem Melt. Doch die passionierte Konzertgängerin hat nicht nur eine gute Spürnase für den nächsten Trend, sondern ist auch eine außerordentliche Netzwerkerin. Ihre Cousine etwa organisiert das Rooftop-Festival in New York. Und so kooperiert die sommerliche Film- und Pop-Sause auf amerikanischen Dächern nun kurzerhand mit dem "Play Winter"-Festival in hanseatischen Klubs.

Hamburger Bands und Filme in New York zu präsentieren ist für die Tochter einer Peruanerin und eines Griechen auch ein euphorisches Bekenntnis zu ihrer Wahlheimat: "Wir finden es als Agentur wichtig, dass Hamburg wieder mehr mit kleiner feiner Kultur belebt wird. Ich finde es sehr traurig, dass alle kreativen Agenturen nach Berlin gehen, weil sie das Gefühl haben, dass es in Hamburg keinen Spielraum für sie gibt." Dankbar sei sie für das treue Publikum auf St. Pauli, das zunehmend experimentierfreudiger werde. "Ich habe den Wunsch, dass hier in Hamburg die Bombe platzt und alle wieder zurückkommen. Es wird immer so viel gemeckert, aber man sollte einfach machen", sagt Kourtesis entschlossen und gestikuliert dabei so engagiert, dass sie sich eine Klammer aus ihrem dicken dunklen Haar wischt.

Auch für ihr Indra-Konzept hat die Überzeugungstäterin ganz konkrete Vorstellungen: Sie mag "ausgeflippte, nerdige Anti-Popstar-Bands". Diese Form von Underground kombiniert sie mit Indie-Mainstream, etwa einem DJ-Set des einstigen The-Smiths-Bassisten Andy Rourke am 3. September. Größere Acts wie Kele Okereke, Sänger der Band Bloc Party, der am 24. November solo in die Stadt kommt, werden ausgelagert ins Café Keese, dass für derlei Anlässe zur Mondial-Halle umfunktioniert wird. Auch eine Akustikshow mit der befreundeten Hype-Band Gossip ist bereits angeleiert. Dank Kourtesis' Verbindungen wird der Club Mondial zudem einmal im Monat in London zu Gast sein. Die Partyplanerin ist derart aktiv, dass alle ihre Schritte im Leben auf kein Schnittmuster passen würden. Die Welt ist zu aufregend, zu komplex, um in ihr nur Standard zu tanzen.

Wer mit Kourtesis redet, spürt ihren unbedingten Willen, Außergewöhnliches zu schaffen. Überraschendes. Und das mit Erfolg. Der Song "Mission Of Love", den sie mit ihrer früheren Elektroformation Love Ravers aufgenommen hat, erklingt auf dem Soundtrack zu Fatih Akins Hamburg-Film "Soul Kitchen".

Kourtesis' Soloplatte, die zu Hause am Computer entsteht, soll im November erscheinen. An einem Drehbuch über Backstage-Geschichten, das sie nächstes Jahr selbst realisieren möchte, schreibt sie derzeit. Schauplatz der schwarzen Komödie: London, New York, Hamburg.

Schon als Teenager im peruanischen Lima habe sie geschauspielert, erzählt Kourtesis, sich aber immer eher für die Regie interessiert. "Ich wollte meine Szene lieber selbst dirigieren." Das könnte auch heute noch ihr Wahlspruch sein. Wenn Kourtesis von ihrem Pop-Kosmos erzählt, von all den Haupt-, Neben- und Seitenprojekten, versteht sie sich auf die große Kunst, resolut und gleichzeitig charmant zu wirken. Wie sehr sie ihren eigenen Kopf hat, zeigte sich schon früh: "Mit 16 Jahren habe ich entschieden, nach Deutschland zu kommen, weil ich fasziniert war von Rainer Werner Fassbinder und Klaus Kinski." Zum 18. Geburtstag hat sie sich von ihren Eltern schließlich "ihre Freiheit gewünscht" und ist ausgewandert.

Beim Gespräch sitzt Kourtesis kerzengerade auf einem der Klappstühle im Indra-Garten. Apart zurechtgemacht im Sommerkleid. Eigentlich hätte sie ja einen Entwurf aus ihrer eigenen Mode-Kollektion anziehen müssen, sagt sie. Fürs Foto. Aber so geschäftssinnig ist Kourtesis dann doch nicht. Vielmehr hat sie sich eine gewisse Naivität bewahrt. Mit Kuli steht dick auf den Unterarm gekritzelt: "Call Mama". Auf dem Unterschenkel: "Pop Mondial". Ein Identitätsversicherungstattoo. Mit einer ganz eigenen Linie.

Mondial Opening Gala 8.8., 20.00; Goose (Elektro-Rock), 12.8., 20.00; Milkshake (Techno-DJanes), 21.8., 23.00; Shitdisco (DJ-Set), 27.8., 23.00; Infos unter www.popmondial.de