Am Freitag erschien das Doppelalbum “25“ von A-ha, auf dem das norwegische Pop-Trio seine größten Hits versammelt. Im Herbst folgt die Abschiedstournee.

Hamburg. Wie werden wir dieses jubilierende Falsett von Sänger Morten Harket vermissen. Die nordisch schwebenden Melodien mit ihrem Hang zur Melancholie, aber auch diesem unverfroren leichten Pop-Appeal, den Gitarrist Pål Waaktaar-Savoy und Keyboarder Magne Furuholmen ihnen einpflanzten. Aber eine haben sie noch: die frisch gepresste Single "Butterfly Butterfly". Zu finden auf dem Doppelalbum, schlicht "25" genannt, einer Very-Best-Of-Hitsammlung mit 39 Songs, darunter einige seltene Remix-Versionen. "Butterfly Butterfly" trägt den Zusatz "The Last Hurrah". Der Synthesizer groovt vertraut. Darüber erhebt sich eine gewohnt zuckrige Melodie. Damit verabschiedet sich die norwegische Band A-ha nach 25 Jahren von Fans und Kritikern.

Auf einer gigantischen Abschiedstournee - mit Station am 28. Oktober in der Hamburg O2 World - kommen alle Hits noch einmal zu Live-Ehren. Am 5. Dezember nach dem letzten von drei längst ausverkauften Gigs in Oslo wird A-ha dann eine Fußnote der Pop-Historie sein. "Ein Teil von mir fragt sich, wie es mit unserer Musik weitergegangen wäre und ob wir nicht wenigstens noch ein Album hätten manchen sollen", sagt Pål Waaktaar-Savoy mit hörbarem Bedauern. Der Gitarrist verantwortet einige der größten Hits des Trios. Jugendlich aufgemacht in Jeans, T-Shirt und mit Retro-Sonnenbrille könnte sich der 49-Jährige mühelos gleich bei einem Talentwettbewerb für Nachwuchsbands anmelden.

Ein Hotelzimmer weiter äußert sich Sänger Morten Harket ganz anders. "Wir spüren, dass es ein guter Moment ist, um die Dinge abzuschließen, alles noch einmal wertzuschätzen, was gewesen ist." Harket, der abgebrochene Theologie-Student, ist noch immer der Grübler unter den Dreien. Frei lässt er seine Gedanken mäandern. "Es muss an einem Punkt aufhören. Das liegt doch schon in der Natur", sagt Harket und sein Blick fixiert einen Punkt irgendwo in der Ferne. "Es fühlt sich nicht so an, als ob wir vor etwas weg- sondern auf etwas zulaufen." Dann wird er endgültig philosophisch. "A-ha ist ein Gebilde, das sein eigenes Leben lebt. Es wird weiterexistieren. Nur wir hören auf."

Aha. Also zumindest für die Band ist ganz klar Schluss mit der pubertären Leichtigkeit von "Take On Me", dem Überraschungshit, der jahrelang in einer Schublade vergammelte, partout keinen Refrain abbekam und in einer Erstveröffentlichung 1984 nur knapp 300 Exemplare absetzte. Erst das comicartige Musikvideo hievte es blitzartig in die Hitparaden. Schluss auch mit dem hymnischen "Hunting High And Low", in dem Morten Harkets Stimme fast schon Countertenor-Qualitäten zeigte. Oder dem späten, todtraurigen Abschiedssong "Summer Moved On".

Auch bei Pål Waaktaar-Savoy klingen schließlich Töne der Vernunft an. "Es ist anstrengend in einer Band zu sein. Wir waren erst Schulfreunde, dann Kollegen, dann Businesspartner", sagt er. "Das ist ein explosives Gemisch. Wir haben Regeln aufgestellt, um sie dann zu brechen, aber so lautete die kreative Verabredung." Das hätte bis zuletzt auch prima funktioniert. Aber ewig weitermachen und als Rock-Dinosaurier enden? "Nein", sagt Waaktaar-Savoy entschieden. "Das wollen wir nicht. Die Rolling Stones verabreden sich ja nur, um ihre Hits immer wieder live zu spielen. Das ist pure Nostalgie. Da gibt es keine Weiterentwicklung."

Auch die letzten Neuschöpfungen von A-ha prägte eher Stagnation auf immergleichem popselig weichgespülten Konsens-Niveau. Dennoch, die Band gilt mit mehr als 80 Millionen verkauften Alben als eine der erfolgreichsten der 80er-Jahre. Wirklich cool, ein Liebling der Kritiker, war A-ha nie. Sehr zum Verdruss der Band, die 1990 mit "East Of The Sun, West Of The Moon" ihr sperrigstes aber musikalisch aufregendstes Album ablieferte, indem sie unter anderem den Everly-Brothers-Hit "Crying In The Rain" coverte. "Das Album hat unserer Karriere mehr Licht und Schatten gegeben", sagt Pål Waaktaar-Savoy.

Damals war die Band nach seinen Angaben "besessen" davon, ihr Posterboy-Image loszuwerden. "Es war bizarr", erinnert sich Morten Harket. "Ich reiste nach London und fand mich auf dem Cover von sechs Zeitschriften wieder mit großen Geschichten, ohne mit irgendjemand gesprochen zu haben." Die drei Norweger besaßen alles, was die Fantasie jugendlicher Gazettenkäufer anregte. Einen blendend aussehenden verträumten Sänger, der zum Frauenschwarm avancierte. Der mit seinem Muskelspiel im Unterhemd und den Lederarmbändern aber auch gleichgeschlechtlich Orientierten eine Projektionsfläche bot. Und dazu mit engelsgleicher Stimme sang, was der Pop-Himmel ihm diktierte.

Auch heute noch geht der 50-Jährige in der Hotelsuite in weißer Jeans, Sakko und Wuschelhaar als Enddreißiger durch. Bis zuletzt scheint er gegen das Image des ewigen Boygroup-Sängers an zu singen, das ihn häufig gekränkt habe, wie er zugibt. Die Rückschau enthält nur wenige Momente der Reue. "Ich hätte mich stärker auf die Richtung konzentrieren und nicht beirren lassen sollen." Pål Waaktaar-Savoy hat irgendwann keine Rezensionen mehr gelesen. "Man muss sich schützen", sagt er. "Einmal hatten wir Freunde im Studio zu Besuch, die einen kritischen Satz gesagt haben, und wir haben daraufhin das ganze Album neu aufgenommen."

Damit ist ja nun Schluss. Das Unwort von der Wiedervereinigung führt zu dieser Stunde keiner der drei im Munde. Waaktaar-Savoy will jedenfalls weiter Songs schreiben, sich vielleicht eine neue Band suchen. Morten Harket gibt sich enigmatisch. "Ich möchte einen offenen Horizont haben. Das finde ich stimulierend. Erfrischend", sagt er. "Vielleicht werde ich jetzt Bildhauer? Das wollte ich schon als Kind, aber wegen A-ha war das nicht möglich." Doch. Wir werden sie vermissen.

Konzert 28.10., 20 Uhr, O2 World, Sylvesterallee 10, Karten ab 62,50 im Vvk.