Ich sag mal: Warum man sich gar nicht entschuldigen kann, aber so viele Menschen es doch immer wieder tun

"Mir fällt in letzter Zeit der Missbrauch des Wortes Entschuldigung auf", schreibt Leser Sch. "Immer wieder entschuldigen sich Politiker, Manager etc. für irgendwelche Fehler, zuletzt die Bahn für den Ausfall der Klimaanlagen. Wenn Fehler gemacht werden, kann man dem Verantwortlichen zwar raten, er solle sich entschuldigen. Dann ist es aber an ihm, bei den Geschädigten um Entschuldigung zu bitten. Er ist somit nicht mehr Herr des Verfahrens, sondern er ist in der Rolle des Bittenden."

Richtig, lieber Herr Sch., das ist mir auch aufgefallen, vor Jahren schon. "Ich entschuldige mich nicht" habe ich damals geschrieben. Denn das geht gar nicht. Entschuldigen kann mich nur der, an dem ich mich schuldig gemacht habe. Und ob er (oder sie) das tut, liegt nicht in meiner Macht. Das wird ein wenig deutlicher, wenn wir statt Entschuldigung Vergebung oder Verzeihung sagen. "Ich vergebe mich" kann höchstens beim Skat mal vorkommen. Und "Ich verzeihe mir" ist wirklich sinnvoll nur in der Verneinung: Ich verzeihe mir nie, dass ich auf diesen Schwindel reingefallen bin.

Warum, wenn es doch falsch ist, sagen dann alle: Ich entschuldige mich? Weil der Sprachgebrauch die Kategorien "falsch" oder "richtig" gar nicht kennt. Vielmehr hält er sich an den linguistischen Lehrsatz: Communis error fecit ius. Soll heißen: Wenn die Angehörigen einer Sprachgemeinschaft einen Fehler immer wieder machen, wird er schließlich zur Regel - und steht dann auch im Duden. Das ist eine alte Geschichte, aber man muss sie immer wieder neu erzählen.

Es ist so ähnlich wie mit der Berühmtheit im Fernsehen. Ob jemand dort berühmt wird - darüber entscheidet vor allem regelmäßiges Erscheinen auf einem festen Sendeplatz. "Mr. Tagesthemen" Hanns Joachim Friedrichs, zweifellos eine Fernsehberühmtheit eigenen Rechts, hat das am viel zu frühen Ende seines Lebens so gesagt: "Du kannst so dumm sein, dass dich die Schweine beißen, du musst nur jeden Tag so dumm sein, dass dich die Schweine beißen."

Regiert da die Macht der Gewohnheit? Oder die Macht der Gewöhnlichkeit? Das zu entscheiden, überlasse ich Ihnen, geneigte Leserinnen und Leser.