Seit 2005 eröffnet der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Wacken jährlich das größte Heavy-Festival der Welt mit Hits wie “Rosamunde“.

Wacken. Noch herrscht Ruhe im 1800-Seelen-Dorf Wacken. Die Einwohner kaufen Feinstrumpfhosen im örtlichen Textilgeschäft, mähen den Rasen im Vorgarten oder trimmen die Hecke. Würde nicht ein riesiges Kuhschädel-Plakat weithin sichtbar am Getreidesilo prangen, wüsste man nicht, dass dieser Ort seit 1990 das jährliche Wacken Open Air - das größte Metal-Festival der Welt - beheimatet. Auch weil die Ortsschilder, ein beliebtes Souvenir, bereits abgeschraubt sind.

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Dabei ist die erste von 120 Bands schon längst in Wacken. Eigentlich war sie nie weg. Und der Frontmann, rüstige 70 Jahre jung, sitzt im Büro seines eingangs genannten Textilgeschäfts: Volker Vette, seit 2007 ehrenamtlicher Zugführer der "Wacken Firefighters", des Musikzuges der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr.

Seit 110 Jahren vertreiben sich die Wackener Feuerlöscher die Zeit zwischen den seltenen Bränden mit Tschingderassabumm, mit "Rosamunde", "Fliegermarsch" und der "Fischerin vom Bodensee". Vette, ein Dorf weiter in Vaale geboren und der Liebe wegen nach Wacken gezogen, ist seit 40 Jahren mit dem Tenorsaxofon dabei. "Und als 2000 der Paulaner-Biergarten auf dem Festival eröffnet wurde, dachte ich mir, dass der ohne Blasmusik ja nicht echt ist", erzählt Vette.

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Sein Kegelbruder ist der Vater von Wacken-Organisator Thomas Jensen, und Jensen hatte 2003 nichts gegen die Idee, dass der Musikzug mit 50 Pauken, Trompeten, Flügelhörnern und Posaunen über die Metal-Wiese zieht, bestaunt von Tausenden überraschten Headbangern, die in Wacken eher Slayer, Motörhead und Blind Guardian als "Wir sind Kinder von der Eger" oder "Sakvicka" gewohnt sind.

Zwar gehörte "Onkel Tom" alias Tom Angelripper, Sänger der Ruhrpott-Thrasher Sodom, mit seinen Metal-Versionen bekannter Schlager und Sauflieder lange Jahre ebenso zum Wacken-Inventar wie Gastspiele von Lotto King Karl und aktuell Heimorgel-Alleinunterhalter Mambo Kurt, The BossHoss oder Torfrock. Aber dass die Blasmusik der Feuerwehr scheppert, während die Metaller ihren Brand löschen, ist ein starkes Stück.

"Am Anfang hatten wir schon ziemlichen Bammel, dass uns die Metaller zum Teufel jagen", erinnert sich Vette, "aber die haben uns gleich angenommen, mit Polonaise und Remmidemmi." Seit 2005 eröffnen die Wacken Firefighters nun traditionell das Open Air und zählen längst zu den Höhepunkten des Programms. "2007 haben die Fans uns fast die Bühne umgekippt, so wild ging es zu. Da gab es schon einige blaue Flecke bei uns." Pogokreisel und Crowdsurfing beim "Stelldichein in Oberkrain", Ringelpiez zum "Zillertaler Hochzeitsmarsch" - abgesehen vom Repertoire unterscheiden sich die Bilder bei den Firefighters kaum von denen vor den Hauptbühnen.

Erklären kann sich Vette den Zuspruch durchaus: "Viele Metalfans kommen ja aus Bayern und anderen südlichen Geländen und sind es gewohnt, zu Blasmusik zu feiern, die kennen da nix." Und wenn auf dem Wacken Open Air gefeiert wird, bleiben auch norddeutsche und internationale Gäste nicht fern, singen "Viva Colonia" mit und kaufen Firefighters-CDs und T-Shirts. Die Prominenz spricht sich auch bei den bundesweiten Feuerwehrkollegen rum: "Wenn wir auf Dorffesten und Jubiläen am Bodensee oder in Brandenburg auftreten, werden wir oft gefragt, ob wir die Firefighters sind."

Nebeneffekt: Während in anderen Gemeinden die Kultur der Dorfkapelle mangels Nachwuchs langsam ausstirbt, braucht sich der Wackener Musikzug um Zulauf nicht zu sorgen. Einige der 50 Mitglieder, die jüngsten zehn und zwölf Jahre alt, kommen aus 40 Kilometer Entfernung ("sogar aus Wilster") zu den wöchentlichen Proben und zu den drei diesjährigen Festival-Auftritten am Mittwoch, Donnerstag und Sonnabend.

Für die in diesem Jahr erwarteten 75 000 Besucher des erneut ausverkauften Festivals haben sich die Firefighters etwas Besonderes ausgedacht: "Jemand hat 'Highway To Hell' von AC/DC für unsere Kapelle arrangiert. Und da ist noch mehr im Busch wie 'Smoke On The Water', ich hab da noch einige Titel auf dem Zettel." Und auch wenn von Donnerstag an Iron Maiden, Alice Cooper, Immortal und Arch Enemy die Bühnen entern und Schwermetall das Feuerwehr-Blech ablöst, ist Vette dabei und beobachtet vom Biergarten aus das Geschehen. So gemütlich, wie es eben in Wacken geht: "Laut ist es so oder so, das ist klar."

Wacken Firefighters Infos im Internet: www.musikzug-wacken.de