Die ARD sendet heute ein Porträt über Peer Steinbrück, den Ex-Bundesfinanzminister

Nein, die Politik kann nicht alles lösen. Sie gerät unter Druck, sie macht Fehler, zumal in einer so schwierigen Situation wie auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise, im Herbst 2008. Die politische Klasse sei mit der aktuellen Situation schlicht überfordert: "Die Märkte steuern im Augenblick die Politik. Die Politik trabt den Entwicklungen hinterher."

Der das sagt, stand damals an vorderster Front: der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, dafür bekannt, auch mal Tacheles zu reden. Wie denkt er heute über diese Zerreißprobe? Stephan Lamby, Autor zahlreicher politischer Dokumentationen, befragt den Sozialdemokraten in seiner halbstündigen NDR-Produktion "Steinbrücks Blick in den Abgrund".

Wenn man innerhalb von Stunden über Interventionen für angeschlagene Banken, über immer höhere Staatsverschuldung entscheiden muss: Kriegt man da Angst? Behält man den Überblick? Angst habe er selten im Leben gehabt, sagt Steinbrück. Aber er habe Bilder befürchtet wie in der Weimarer Zeit, als die Bürger massenhaft ihre Ersparnisse von den Banken abhoben. Als die Kanzlerin, mit ihm zusammen, im Oktober 2008 verkündete, die Bundesregierung stehe für die Einlagen der Bundesbürger ein, sei das auch hochriskant gewesen.

Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz damals sei allerdings gelungen, auch die Verstaatlichung der Hypo Real Estate hält er für richtig. Im Rückblick ist Steinbrück dennoch nicht uneingeschränkt zufrieden mit dem Krisenmanagement, an dem er bis zur Wahlniederlage der SPD im Herbst 2009 beteiligt war. "International, in der Eurozone und der EU, hätten wir schneller und rigider handeln müssen. Da haben wir uns zu viel Zeit genommen", sagt er. Offen räumt er ein, dass die Große Koalition an ihrem Beginn viel zu gutgläubig und zweckoptimistisch gegenüber den Finanzmärkten gewesen sei. Das Koalitionsprogramm 2005 ermunterte die Banken ja, neue Produkte und Innovationen zu entwickeln. Ein Beispiel, "wie bescheuert man damals gewesen ist".

Als schweren politischen Fehler sieht er die 2009 von der Großen Koalition beschlossene Rentengarantie: "Ich hätte nicht mitmachen dürfen", sagt Steinbrück. "Das war ein Tabubruch." Und im Fall Opel habe sich die SPD einfach verschätzt. Die Bürger hätten nicht in der erwarteten Solidarhaltung, sondern als scharf rechnende Steuerzahler reagiert und sich gefragt, warum sie dieses Unternehmen retten sollten.

Die Menschen fühlten sich als Bezahler für eine Krise, die andere verursacht hätten, resümiert Steinbrück. Er beobachte mit Sorge eine Oberschicht, die keine Verantwortung für das Gemeinwohl mehr spüre, und "ein Eliteverhalten, das notwendige Vorbildfunktionen verletzt". Darüber würde man gern mehr von Peer Steinbrück hören. Auf die eingefügten Gesprächspassagen mit Altkanzler Helmut Schmidt hätte Lamby verzichten können. Steinbrück pur ist spannender.

"Steinbrücks Blick in den Abgrund - Macht und Ohnmacht eines Krisenmanagers", 22.45 Uhr, ARD