Das Bandshirt wird weiterhin alle Trends überleben

"Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Und wenn ich schon mal hier bin - warum kaufe mir nicht gleich ein T-Shirt?", fragten Die Ärzte 1988 auf dem Live-Album "Nach uns die Sintflut". Als hätten die Schlaumeier aus Berlin - aus Berlin! - schon damals einen Plan gehabt, womit man bei der besten Band der Welt immer rechnen muss. Denn fünf Jahre später, nach Auflösung und Wiedervereinigung der Truppe, gründete sie den Vertrieb "Deutschrock Merchandise GmbH" mit, der heute Millionen scheffelt beim Verkauf von Fanartikeln aller möglichen und unmöglichen Bands. Der Klassiker ist natürlich das T-Shirt. Meistens schwarz, vorn Logos, Bilder, Fotos, hinten Sinnsprüche oder Tourdaten.

Spätestens seit den 70er-Jahren und der endgültigen Kommerzialisierung der Popmusik sind Bandshirts der Renner im Versandhandel oder direkt am Hökertisch der Konzertsäle. Es hat, als Nachfahre der Takelhemden britischer Matrosen und US-Armee-Unterhemden, alle musikalischen, wirtschaftlichen (Tonträger-Krise!) und modischen (Leggins-Krise!) Trends überlebt. Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande - das Manko des Hemdes hat das T-Shirt, schnell überstreifbar, erfolgreich abgestreift. Rock sei Dank.

Das erste Bandshirt wird oft über die Jahre verehrt wie ein Kultobjekt

Einige Designs, wie das 77er-Tourshirt von Led Zeppelin oder die stilbildenden Logo-Shirts von Motörhead, Misfits, Danzig, KISS, AC/DC und Ramones, sind Everblacks, die auch von unerwarteten Zeitgenossen wie Lothar Matth ... ääh ... Karl-Theodor zu Guttenberg getragen werden. Oder zeitweise auch bei völlig unrockbaren Textil-Ketten wie H&M erhältlich waren. Und wenn schon. Bandshirts stiften Identifikation mit dem Träger, ohne Uniform zu sein. Das erste Bandshirt wird oft über die Jahre verehrt wie ein Kultobjekt, auch wenn es irgendwann zu klein wird, löchrig und von Schwarz zu Grau ausgewaschen. Mit Kalklöser und Wasserenthärter hat es der Rocker nicht so. Aber mit der Erinnerung, wie eine spontane Umfrage auf Facebook ergab.

"Anthrax, 1991", "Venom, 1987" und - ha! - "Ärzte, irgendwann in den 80ern" kam auf die Frage zurück, welches das erste Bandshirt war. Alles cooleres Zeug als mein erstes Shirt: Scorpions, 1990, selbst beflockt. Aber Shirt Nummer zwei, Sepultura, 1991, liegt immer noch im Schrank, wie sich Leser dieser Rubrik erinnern mögen.

Überhaupt: Metal. Die Metaller-Kutte, sprich mit Bandaufnähern übersäte Jeans- oder Lederweste, hatte lange Zeit einen schweren Stand, ihrem Fußball-Pendant entsprechend. Das Shirt aber gehört seit jeher zur Standardausstattung, auch wenn es feine Unterschiede gibt. Vierfarbdruck oder Schwarz-Weiß, gar Hellschwarz auf Dunkelschwarz? Das scheidet Geister.

Genauso umstritten: lange oder kurze Ärmel? Ärmel mit oder ohne Aufdruck? Klassiker (Metallica, Slayer, Judas Priest) oder Avantgarde - in meinem Falle Soilent Green mit falsch geschriebenen Tour-Etappen wie "Laebeck" und "Stuhtgart"? Und wie unleserlich darf der Schriftzug von Rotting Christ, Orcus O Dis, The Devil's Blood und anderen Gästen des kommenden Wacken Open Air sein?

Überhaupt: Wacken. Hier werden jedes Jahr massenhaft die zwei goldenen Regeln der Bandshirt-Liturgie gebrochen. Erstens: Kaufe kein Festival-Shirt, auf dem alle Bands des jeweiligen Jahres stehen - Beliebigkeit ist eine Sünde. Zweitens: Trage kein Shirt einer Band bei ihrem Auftritt. Konformismus ist eine Sünde. Aber wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Entkalker-Tab.

Kurz nachdem ich unsere Praktikantin für ihr Ramones-T-Shirt lobe ("sehr brav"), bringt der Postmann ein Paket: das 77er-Tourshirt von Led Zeppelin. Größe L ... passt! Rock sei Dank!

Wacken Open Air 2010 Mi 4.8. bis Sa 7.8., Wacken, ausverkauft, www.wacken.com