Nina Hagen bekennt sich mit “Personal Jesus“ eindeutig zu ihrem christlichen Glauben - und landet promt auf Platz 16 der Charts.

"Personal Jesus" ist das seit knapp 40 Jahren überfällige musikalische Glaubensbekenntnis der Nina Hagen. Darin liegt die Größe des Albums und auch seine Grenze. Die Godmother des Punk in Deutschland singt 13 Heilshymnen aus dem kollektiven Pop-Bewusstsein; sie tut dies für ihre Verhältnisse auffällig, manche werden sagen: wohltuend schnörkellos. Keine Koloraturen, kein Gekiekse, kein Kehlentheater wie sonst, wenn die Hagen, 55, den Mund auftut. Diesmal verlässt sie sich allein auf ihre vom Leben mit aufregenden Fissuren gefräste, mächtige Altstimme. Das opernhaft gerollte R, früher Bestandteil eines musikalischen Versteckspiels hinter Persona-Identitäten, ist hier nur mehr Zitat in eigener Sache.

Was beim Hören dieser zwischen Gospelchören mit schwabbernder Orgel und Countryrock changierenden Musik jedoch zunehmend nervt, ist die chronisch gut gelaunte Glaubensgewissheit der Sängerin. Denn die Doppelbödigkeit des Heilsversprechens, die etwa im Titelstück "Personal Jesus" von Depeche Mode mitschwingt, klärt Nina Hagen textlich und stimmlich immer ins eindeutig Christliche.

"Take second best / Put me to the test / Things on your chest /You need to confess / I will deliver / You know I'm a forgiver", heißt es im Original. Hagen macht daraus: "Jesus is the best / He'll put you through a test / pain is on your chest / You need to confess / He'll deliver / He's a forgiver."

Bei Depeche Mode - und auch noch bei der brillanten, kotzeinsamen, verzweifelten und missmutig um Rettung flehenden Version von Johnny Cash - blieb offen, ob der Personal Jesus wirklich unter allen Umständen immer nur der Gekreuzigte selbst ist oder vielleicht nicht doch noch eine andere Beichtinstanz, eine mit weichem Fleisch, die auch noch anderen Trost anzubieten hat als die geläuterte Seele.

Nina Hagen aber hat offenbar lang genug mit ihren religiösen Zweifeln und ihrer Inkonsequenz gehadert, die sie wider besseres Wissen, vor allem: wider transformative Erfahrungen immer wieder befielen. Ihre Kokainexzesse in den frühen 80er-Jahren durchlebte sie, lange nachdem sie ihre ersten Gottesbegegnungen hatte. Die ereigneten sich, glaubt man ihrer lesenswerten Autobiografie "Bekenntnisse", noch tief zu DDR-Zeiten.

Schon damals tauchte sie in ein Bad der Liebe ein, das eigentlich ein Leben lang wärmt und reinigt. Aber die Seele geht viele Umwege, ehe sie ihre Heimat anerkennt, und an diesem Punkt ist Nina Hagen nun offenbar derart unmissverständlich angelangt, dass jeder, der seine Zweifel behalten oder nach anderer Fasson selig werden möchte, am gut geölten messianischen Eifer dieser Lautsprecherin des Herrn abrutscht wie der Frosch im Milcheimer.

Es ist nicht Nina Hagens Problem, dass man derlei Repertoire glaubwürdiger findet, wenn es klingt wie auf Knien gesungen. Aber die auf dieser Platte postulierte pausbäckige Frömmigkeit hat manchmal etwas fast Redneck-haft Bedrohliches; insofern reizen die hymnischen Rezensionen, die mit "Personal Jesus" ein modernes Americana-Album feiern, zum Widerspruch. Es ist bei Gott nicht das sympathischste Amerika, das einem hier begegnet.

Wenn "Personal Jesus" in der Wohnung läuft, kommt man sich vor, als hätte man die armselige, aber ansehnliche "Wachtturm"-Verteilerin an der Haustür reingelassen. Nun sitzt sie auf dem Sofa und spult ihr Credo ab. Man hört zu, hin- und hergerissen zwischen Abwehr und Sympathie, und weiß nicht, wie man sie wieder loswerden soll. Und ob überhaupt. Vielleicht lässt sie sich ja bekehren zu einer kleinen Sünde?

Nina Hagen konnte sich mit ihrem neuen Album "Personal Jesus" zudem mit einem Schlag auf Platz 16 der deutschen Album-Charts schieben und ist damit die höchste Einsteigerin der Woche. Das teilte am Dienstag die Marktforschungsfirma Media Control in Baden-Baden mit.