Eine Glosse von Tino Lange

In Zeiten von überzogen teuren Konzertkarten sollte man sich über jeden Straßenmusiker freuen - wenn er gut spielen kann. Denn über talentfreie Asphaltkünstler, die über die Altonale, die Mö und die Spitaler herfallen wie Tauben über Brotkrümel, ist oft genug geschrieben worden. Jeder kennt die Anden-Djangos aus Peru, diese Ramones mit Poncho und Panflöte, die sich in den 90er-Jahren mit Miniverstärkern in Einzelgruppen teilten, um die Reichweite ihres "El Condor Pasa"-Terrors auszuweiten. Oder die alternativen Teekisten-Trommler, verarmten Geigenvirtuosen und verkannten "Hotel California"-Klampfer.

In letzter Zeit aber machen sie sich rar. Seit Wochen keine Akkordeon-Onkel und Bontempi-Bengel in der U-Bahn oder auf der Dag-Hammarskjöld-Brücke. Habe ich Glück? Gutes Timing? Oder machen die lustigen Straßenmusikanten mittlerweile auch eine Sommerpause?

Glaubt man "Spiegel Online"-Autor Stefan Kuzmany, dann sind die ganzen Freunde von Wandergitarre, Samba-Pfeife ("Ih-ih-oh! Ih-ih-ih-oh-oh!"), Rainmaker und Leierkasten weggezogen ... nach Berlin! Wohin auch sonst. Die Kulturhauptstadt von Weltgeltung an der Spree, die wirklich gute Straßenbands wie die Ohrbooten hervorbrachte, braucht scheinbar Nachschub aus den Fußgängerzonen der Republik. Und so wird es langsam eng am Ku'damm dort und leer in der Spitalerstraße hier.

Immerhin werden die geplagten Berliner Passanten von Neubürger Marius Müller-Westernhagen verschont. Der sang schon 1982: "Ich hab keine Lust mehr, im Regen zu steh'n."