Technisch brillant, überzeugt Geiger Nigel Kennedy mit seiner Polish-Jazz-Session nicht

Hamburg. Irgendwie war Nigel Kennedy bei seinem Auftritt im Hamburger Museum der Arbeit am Sonnabend an der richtigen Stelle. Drinnen wird in Glas, Stahl und gebürstetem Ziegel einstigen Schweißtropfen gehuldigt, draußen im Hof pflegt der aus einer Mittelstandsmusikerfamilie stammende Geiger einen angelernten Cockney-Arbeiterakzent und Rock für Betuchte.

In den 80er-Jahren führte das Geigenwunder Punkfrisur, Pöbelgesten und das Prekariatswort "Fuck" in die heiligen Hallen der Klassik ein. Mit Erfolg: Kennedys Vivaldi-Jahreszeiten werden zur meistverkauften Klassikaufnahme aller Zeiten. Er kommt mit Jazzaufnahmen heraus, widmet der Hardrock-Gitarrenikone Jimi Hendrix ein Album. Doch irgendwie bleibt der Brite in dem Jahrzehnt hängen, auch am Sonnabend musikalisch konventionell, von der beginnenden Bossa Nova hin zum finalen Rumpelrock.

Kennedys Quartett polnischer Musiker, ergänzt um Gitarrist, zwei Streichern sowie Vokalistin, bleibt so fähig wie gesichtslos; alle dienen nur als Sprungbrett, um eine verlorene Pubertät auszuleben.

Des Briten Soli, wiewohl Gestus und Sound der Rockgitarre perfekt imitierend, verraten in ihren rasenden Tonleitern den ratlosen Klassiker, zu oft reitet Kennedy auf ein, zwei Akkorden Plattitüden und Effekten herum, da helfen technische Brillanz, rhythmischer Zug und sichere Intonation nicht. Einzig in den polnische Melancholie verratenden Solozwischenspielen und im 5/4-getakteten, ständig modulierenden Nick-Drake-Song "River Man" aus dem Jahr 1970 dient Nigel Kennedy mal der Musik, nicht umgekehrt, lässt den Mätzchen machenden Clown in der Tasche und holt den musizierenden Musiker heraus.