Jens Friebe und Linus Volkmann lesen heute im Uebel & Gefährlich unter dem Motto “Hatten Sie noch was aus der Minibar?“ - “Ja, alles!“

Uebel & Gefährlich. Nein, es liegt nicht am Geburtsort Lüdenscheid, aber der ist natürlich trotzdem eine gelungene Pointe im Leben des Bohemiens, Musikers und Großstadt-Flaneurs Jens Friebe. Eine Pointe gleich am Anfang der eigenen Vita, das haben viele der aus der Provinz in die Metropole gezogenen Kreativmenschen. Der Unterschied zwischen dem gebürtigen Liverpudlian John Lennon und Friebe liegt anderswo: So etwas wie ein "Lost Weekend" würde Friebe nicht passieren. Lennon zog Mitte der 70er-Jahre bekanntlich von New York nach Los Angeles und frönte dem Alkohol so reichlich, dass sich ein durchzechtes Wochenende zu einem Jahr auswuchs - was immer da alles geschehen sein mag.

Friebe weiß, was er im Jahr 2006 gemacht hat, und wir wissen es auch - Wochenende für Wochenende. Schließlich hat sich Friebe damals in der gar nicht mehr so neuen Welt des Internettagebuchs versucht. Wie Rainald Goetz ("Abfall für alle"), Thomas Hettche, Jochen Schmidt oder Sven Lager, die allesamt Literatur zum Scrollen machten.

Um sie hernach doch wieder als Buch zu veröffentlichen. Selbiges tat Friebe 2007 auch: "52 Wochenenden. Texte zum Durchmachen" wurde das Hipster-Buch der Saison und erfreut sich auch drei Jahre nach Erscheinen noch großer Beliebtheit. Die Erstausgabe bei Kiepenheuer & Witsch war schnell vergriffen, und weil die schöne Literatur, das Kulturerleben, das Kunstmachen und die szenige Feierei genuin geisteswissenschaftliche Themen sind, gibt es seit vergangenem Jahr auch eine wissenschaftlich einwandfreie kritische Ausgabe (Verbrecher-Verlag).

Friebes (Bruder Holm gehört ebenfalls zur Berliner Kulturboheme) Texte sind, was ihre Beobachtungen angeht, von zeitloser Gültigkeit. Zumindest was zwei Grundannahmen des abendlichen Ausgehens und der nächtlichen Zerstreuung anbelangt: Es geht ums Rumstehen und Rumgucken. Um die avancierte, spöttische und lässige Stilkritik, natürlich der anderen. Rainald Goetz hat ja auch mal ein Ausgehbuch geschrieben, "Rave" spielte freilich in einem abgeschlossenen System und war doch sehr euphorisch auf eine Lebensart beschränkt. Bei Friebes Beschreibungen (das Beobachtete spielt, Gott sei's gedankt, nicht nur in Berlin) siegt die skurrile Überdrehung oft über das sogenannte Authentische. Wie auch immer: Das Wochenend-Buch des Musikers und Autors - die letzte, schön poppige Platte hieß "Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert" - kann man immer wieder neu lesen, weshalb Friebe auch 2010 noch mit seinem Buch auf Tour ist.

Die Veranstaltung trägt den Namen "'Hatten Sie noch etwas aus der Minibar?' - 'Ja, alles!'" Und einer von Friebes schönsten Sätze stammt vom letzten Album: "Ich möchte dir dienen und / Ich möchte dir Schnaps geben / Nenn mich Lawinenhund / Ich suche Leben", heißt er. Um die Suche nach Leben geht es ja auch demjenigen, der sich die Nacht zum Ereignisfeld auserkoren hat.

Angeblich hat er ein neues Buch am Start, zumindest in Manuskriptform, "Dem Reinen ist alles rein, dem Schwein ist alles schwein". Erinnert an Benn, wäre ein schöner Titel. Apropos: Friebes neues Album erscheint übrigens am 8.10., es heißt "Abändern". Sein Sidekick auf der Lesung ist Musikredakteur Linus Volkmann, dessen Kurzgeschichtenband "Smells like Niederlage" ganz wunderbar die Popkultur aufspießte. Das nächste Buch Volkmanns hieß "Heimweh to Hell". Friebe und Volkmann nennen sich "Quereinsteiger aus der beliebten Blitzlicht-Indie-Szene", und auch das beweist doch vor allem eines: Hier sind Wortglauber am Werk, deren Kunst unbedingt aus dem Gegenteil von Wortklauberei besteht.

Jens Friebe, Linus Volkmann "Hatten Sie noch etwas aus der Minibar?" - "Ja, alles!" Sonnabend, 24. Juli, 21 Uhr. Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66. Eintritt: 10,-