In der Rellinger Kirche wollte die barocke Kammermusik nicht so recht überzeugen

Rellingen. Ein gravierendes Problem der Laute ist, dass sie eigentlich eher Leise heißen müsste. Denn das zartbesaitete Instrument klingt keinesfalls auch nur annähernd laut, sondern flüstert stets fein und silbrig - schwer vorstellbar, wie es die Menschen während seiner Blütezeit im 17./18. Jahrhundert mitunter bis zur Raserei gebracht haben soll. Damals war es offenbar so in Mode, dass man "die Dächer mit Lauten hätte decken können", wie ein Zeitgenosse notierte.

Für heutige Hörer und Räume jenseits der Wohnzimmergröße scheint die ehemalige "Königin der Instrumente" jedenfalls eher nicht gemacht. Das war auch bei dem Konzert im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals in der Rellinger Kirche deutlich zu hören: Selbst unter den Händen von Lee Santana, der nun wirklich zu den Großen der zupfenden Zunft gehört, hatte die Laute kaum Chancen, sich richtig durchzusetzen - obwohl das achtköpfige polnische Ensemble Arte dei Suonatori ihn sensibel begleitete. Und so gab's die schönsten Momente der barocken Lautenkonzerte von Johann Sigismund Weiss und Johann Friedrich Fasch genau dann, wenn das Soloinstrument ganz alleine oder im Dialog mit höchstens einem anderen Instrument zirpte - und wenn dazu nicht gerade eine Kirchenbank knarzte, eine Tasche raschelte oder ein Programmheft gegen die Hitze durch die Luft fächelte. Selbst auf den privilegierten Plätzen in den ersten Reihen geriet das Zuhören so zu einer harten Prüfung in Sachen Disziplin.

Als Vorteil der eher homöopathischen Klangdosen stellte sich allerdings heraus, dass die Ohren damit für den ebenfalls leisen, aber doch schon deutlich kräftigeren Sound der Gambe besonders gut vorgespitzt waren. Die spielte nämlich die zweite Hauptrolle an diesem Abend, bei Werken von Telemann und Graun, in denen Hille Perl eine Kostprobe ihres beeindruckenden Könnens gab: Schwungvoll wirbelte und zwirbelte die feingliedrige Gamben-Elfe da rasante Läufe und geschmeidige Verzierungen aus ihrem Instrument, um im nächsten Moment (etwa in der "Sarabande" aus der Telemann-Ouvertüre) sanft näselnd auf den Saiten zu singen. Dabei trieb sie den tänzerischen Puls der Musik aber immer weiter und machte damit ihren reizvollen Groove mit den federnden Synkopen lebendig. Mitunter swingten diese wenig bekannten barocken Stücke wie frühe Vorläufer des Jazz - was ja gar nicht weit hergeholt ist, weil auch die Improvisation damals schon eine große Rolle gespielt hatte.

Richtig fetzig wurde es beim letzten Programmpunkt, dem "Concerto polon" von Telemann: Für das Stück hatte sich der Hamburger Komponist während eines Polen-Aufenthalts in der dortigen Volksmusik umgehört und ausgiebig bei Melodien und Rhythmen bedient. Diesen folkloristisch geprägten Tonfall kosteten die Interpreten mit Lust am bodenständigen Schrumm-Schrumm aus und bescherten dem Konzert ein schmissiges Finale.

Zur Bilanz des Abends gehören neben den barocken Entdeckungen auch einige gerissene Saiten samt entsprechend langer Stimmpausen und mancher Intonationsprobleme. Deshalb bedankte sich Hille Perl am Ende für die besondere Geduld des Publikums, das die Interpreten ausgiebig feierte - und ihnen nicht übel nahm, dass es die historischen Instrumente in der schwülheißen Witterung eben besonders schwer haben.