Die Ausstellung “Halt doch mal an!“ zeigt Frauen-Bilder der Gegenwart. Künstlerin Wiebke Hansen hat dafür Videos von Popstars analysiert.

Hamburg. Man sollte meinen, dass nach einem Jahrhundert des von Simone de Beauvoir bis Alice Schwarzer geführten Geschlechterkampfes mit zunehmend geglückten Versuchen, in Männerdomänen wie Wissenschaft und Politik auch als Frau entscheidende Positionen einzunehmen, man sollte also meinen, dass sich die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft als halbwegs gleichberechtigt etabliert hat. Fernab von den Extremen Heimchen am Herd oder purem Lustobjekt. Tatsächlich aber ist der weibliche Professorenanteil von derzeit 18 Prozent immer noch weitaus geringer als der männliche, und auch in anderen Führungsbereichen sind die Zahlen nicht eben ausgewogen. Das wäre eigentlich Anlass genug, weiterhin auf die Barrikaden zu gehen.

Doch statt militantem Feminismus tritt ein gänzlich anderes Phänomen in der breiten Masse auf, dessen sich Wiebke Hansen angenommen hat. Die in Hamburg lebende Grafikerin wollte sich mit dem Frauenbild in den Medien beschäftigen und stellte bei der Analyse zahlreicher YouTube-Videos überraschend fest, dass Frauen in der Öffentlichkeit immer wieder in die gleichen Verhaltensmuster verfallen. Markante Züge von Gestik oder Mimik hielt sie als Standbild oder Ausschnitt fest, archivierte und katalogisierte diese und fügte dann drei Motive gleichen Schemas nebeneinander in einem Format von 43 x 180 cm zusammen. Unter dem Titel "Halt doch mal an! Geschlossener Ruf der Wilden Gesellschaft" und inzwischen schwarz-weiß, sind die Triptychen dem Kontext entnommen und eröffnen eine ganz eigene Ästhetik an den Wänden der drei Ausstellungsräume in der kleinen Galerie Sternschanze 1.

Der klassische Griff ins Haar, den es länger gibt, als Pin-ups die Wände von Halbwüchsigen bepflastern, wird begleitet von einer anscheinend ganz neuen Entdeckung: dem, wie Hansen es wortschöpfend bezeichnet, "Luftbiss". Die Rede ist nicht etwa von einem leicht geöffneten Mund, wie man ihn vielleicht noch aus Beauty-Porträts kennt, sondern von einem absurd schnappenden Mund, häufig auf roten Teppichen und Musikvideos der westlichen Hemisphäre zu beobachten. Auch der "Orgasmusblick" oder das Lutschen an Gegenständen - sei es an einer Praline oder am eigenen Finger - erinnern eher an pornografische Kontexte. Umso mehr erstaunt es, dass die meisten Bilder Werbefilmen und öffentlichen Promi-Auftritten entnommen sind.

Zum einen werden also Frauen vermarktungsstrategisch als Lustobjekte inszeniert, um alles von Turnschuh bis Pizza an den kleinen Mann zu bringen. Zum anderen inszenieren sich Frauen des öffentlichen Lebens selbst, wobei man von Madonna bis Barbara Schöneberger so manches Gesicht erkennt.

Man könnte sicherlich der Frage nachgehen, ob derartige Gesten ganz intuitiv benutzt werden oder aber reflektierten Absichten entsprechen, frei nach dem Motto: Sex sells. Oder wie Jeff Koons einst äußerte: "Der einzige Weg für Künstler, ihren eigenen Ruhm zu finden, liegt in der Einverleibung anderer Systeme ... und darin, diese so kreativ und so selbstbewusst wie möglich für sich auszubeuten." Sex also nicht nur als Vermarktung für Produkte, sondern auch von Identität.

Unwillkürlich fragt man sich bei dem Gang durch Wiebke Hansens Ausstellung, inwieweit man Opfer dieser Gesten ist, sie einsetzen darf und sollte. Und ob man dadurch Objekt wird, wenn man doch lieber Subjekt sein will.

Halt doch mal an! Sternschanze 1, bis 24.7., tägl. 15.30-19.30, Eintritt frei; www.sternschanze1.de