Beim Kaltstart-Festival inszeniert Peter Dorsch gekonnt Charlotte Roches Skandalroman “Feuchtgebiete“ als tragikomische Familiengeschichte.

Hamburg. "Solange ich denken kann, habe ich Hämorrhoiden." Will der Zuschauer eigentlich wissen, was das Gör im rosaroten Rüschenrock daherlabert? Doch er muss Tascha Solis als Helen einfach zuhören, so unverfroren mädchenhaft rotzt sie die Bekenntnisse von Analrasur und Sex über die Rampe. Hin und wieder lässt sie auch das ungeliebte Kind erkennen. Da provoziert eine Rebellin aus Einsamkeit und Sehnsucht nach Aufmerksamkeit. Peter Dorschs auf die Familiengeschichte konzentrierte Fassung von Charlotte Roches Skandalroman "Feuchtgebiete" feierte beim Kaltstart-Festival im Bürgerhaus Altona-Nord Premiere.

Viel Beifall, kein Buh, kein aus dem Saal stürmender Besucher. Denn nichts an der 70-Minuten-Aufführung ist anstößig, vieles einfach nur komisch, manches auch traurig. Eine sogenannte "intakte Familie" steht auf der Bühne: Papa (Tobias Büssow), Mama (Vanida Karun), die Geschwister Tobi (Mathis Köllmann) und Helen.

Mit Ausnahme von Solis skizzieren die anderen comicartig auch andere Figuren, übernehmen Texte der Protagonistin. So wird ihre Figur vielschichtiger und als Ergebnis des familiären Umfelds erfahrbar.

Dorsch und die Spieler praktizieren lustig und beispielhaft Brechts Verfremdungseffekt, entwerfen gleichzeitig die Studie eines noch kindlich fantasievollen, den Sex entdeckenden Teenagers. Sein Vorzug: Er verschweigt nichts - ganz im Gegensatz zur Familie. Helen wird zur offenherzig quasselnde Porno-Pippi mit rosa Haarspange. Und keiner könnte ihr sagen, er wüsste nicht, wovon sie spricht - bestätigen auch die Lacher im Publikum.