Mit Jürgen Scholz starb einer der einflussreichsten Kreativen

Hamburg. Bis Freitag, dem Tag von Jürgen Scholz Beerdigung, wussten Holger Jung und Jean-Remy von Matt nicht, dass der langjährige Aufsichtsrat ihrer Hamburger Werbeagentur Jung von Matt, Jürgen Scholz, bereits am 7. Juli im Alter von 81 Jahren gestorben war. Ein stiller Abgang eines Mannes, der für von Matt "einer der ganz wenigen prägenden Figuren der deutschen Werbegeschichte ist".

Dabei war Jürgen Scholz immer schwer zu fassen. Die einen empfanden den gebürtigen Essener als zu laut, zu cholerisch und zu ungestüm. Andere jedoch, wie der renommierte Werberegisseur Gunars Martinsons, den Scholz Anfang der 90er-Jahre aus Frankfurt an die Elbe geholt hatte, können vom "Herren unter den Werbern" erzählen, von einem "sehr kreativen, zupackenden und dabei respektvollen und äußerst großzügigen" Menschen.

Nach dem Abitur und einem Volontariat in der Werbeabteilung des Lebensmittel-Konzerns Tengelmann lernte Scholz auf der Folkwang Schule für Gestaltung in Essen Vilim Vasata kennen, mit dem er 1953 die Werbeagentur Vasata-Scholz in Mühlheim gründete. Aus dieser Partnerschaft ging drei Jahre später die Werbeagentur TEAM hervor, die sich ab 1972 zur erfolgreichsten Werbeagentur der Bundesrepublik entwickeln sollte.

Der Kreative war gleichzeitig ein leidenschaftlicher Jäger, der eines Tages die Plastikkrokodile in seinem Pool erlegte, weil ihm die Kinder zu laut geworden waren. So war es wohl auch kein Zufall, dass mit der Kunstfigur "Frank S. Thorn" ausgerechnet ein Großwildjäger im Mittelpunkt der damaligen Puschkin-Wodka-Kampagne stand, die seinen Ruhm begründete. Der Slogan hieß: "Für harte Männer". Eine noch "kultigere" Werbefigur, die er schuf, war der Tchibo-Mann. Sein ehemaliger Kompagnon Vilim Vasata nannte Scholz einen "Instinktmenschen": "Der wollte immer am liebsten den ganzen Markt umarmen, aber am meisten wollte er, dass ihn die Frauen dafür lieben." Dementsprechend kompliziert war auch sein Privatleben.

Werbebotschaften dagegen mussten einfach und gagig sein. Der "Krawattenmuffel" aus dem Jahr 1964 gilt als Meilenstein der deutschen Werbung: Mit selbstironischer Reduktion aufs Wesentliche gelang es TEAM, eine Werbekampagne zu entwickeln, deren Schlüsselwort in die Alltagssprache einging. Betrachtet man die Arbeiten von Scholz und Vasata über mehrere Jahrzehnte - von Puschkin über Dr. Oetker und Audi bis hin zu König-Pilsener, wird deutlich: Jürgen Scholz hatte stets den unbedingten Willen zum Essenziellen: "Test the West".

Dass Jürgen Scholz nach dem Rückzug aus dem operativen Geschäft ausgerechnet in den Aufsichtsrat eines direkten Mitbewerbers ging, war ebenso ungewöhnlich wie auch typisch für den Unangepassten, der bis zuletzt seinen ganz persönlichen Kurs fuhr, obwohl er schon kränkelte; das Herz, die Nieren, ein künstliches Hüftgelenk. Jean-Remy von Matt, der von Scholz vor mehr als 30 Jahren einmal eine Absage kassiert hatte, auf die er bis heute noch stolz ist, sagt: "Jürgen Scholz hat wesentlich dazu beigetragen, dass Hamburg zur Hochburg der Kreativen wurde und dies bis heute noch ist."