Songwriter umweht eine romantische Aura. Die Vertreter des Genres Johnny Flynn, Villagers und Nosie Katzmann bilden da keine Ausnahme.

Na, ob man gleich von einer "NuFolk"-Bewegung sprechen muss? Mit dem "New", dem Neuen, ist das ja immer so eine Sache, und Folk wird schließlich schon lange gemacht, mindestens seit dem 19. Jahrhundert. Im Pop seit den Sechzigerjahren: Bob Dylan, Joan Baez, Leonard Cohen. Seitdem hatte Folk eigentlich immer Konjunktur, mal mehr, mal weniger. Zurzeit sind Songs mit Akustikgitarren wieder einmal sehr angesagt, weshalb im Gefolge der sehr beliebten Mumford & Sons nun Musiker wie Johnny Flynn in Erscheinung treten. Flynn war mit Mumford & Sons auf Tour - so etwas nennt man eine musikalische Wahlverwandtschaft. Flynns zweites Album "Been Listening" ist eine von mehreren interessanten Songwriterplatten, die unlängst erschienen sind.

Und neben "Becoming a Jackal", dem Debüt Conor J. O'Briens, qualitativ auch die beste neue CD eines Solo-Künstlers. Während der Ire O'Brien unter dem Moniker "Villagers" auftritt, ist Flynn, der "schöne Johnny", mit seinem Geburtsnamen unterwegs. Flynn sieht gut aus und ist ein Mann mit Bühnenerfahrung - da zieht er unweigerlich den Spott auf sich, wie alle vom lieben Gott Beschenkten. Dabei ist Flynn, der Multiinstrumentalist, ein leidenschaftlicher Indiefolker, der seine Seele in die Songs legt. Und vielleicht ist er gerade deswegen einer für die Schwiegermütter, weil er so ernsthaft und lässig zugleich ist. Und demütig: "The Song's a Thing/And this one is thin", singt er im Titeltrack seines zweiten Albums "Been Listening". Flynn und seine Band musizieren mit Bläsern und Streichern, Letzteres besonders eingängig in "Kentucky Pill", wo Flynn, der 27-jährige Posterboy, die Fröhlichkeit der amerikanischen Folk Music einfängt.

Aufgenommen wurde "Been Listening" in London, wo der in Südafrika geborene Flynn lebt, und in Seattle. Er sei immer am Storytelling interessiert gewesen, hat Flynn einmal in einem Interview gesagt, und er findet die Möglichkeit, etwas zu erzählen, im Folk. Wenn der Entdeckung und Weiterführung einer jahrhundertealten Tradition etwas Romantisches anhaftet, dann ist Flynn doppelt beseelt: "I'm running for my old playmates/I'm running through the town", singt er. Da ist aber einer früh nostalgisch geworden.

Dramatisch geht es zu auf dem ausgezeichneten Debütalbum der Villagers, deren Mastermind Conor J. O'Brien ist. Es ist ein Soloprojekt; vorher hatte O'Brien mit seiner Band "The Immediate" nur einen Sommer erlebt, und das auch vornehmlich nur in Irland.

Villagers spielt auf dem Dockville-Festival im August, wer hingeht, den erwartet ein Jungmann, der zufällig denselben Vornamen trägt wie Conor Oberst (Bright Eyes). An den erinnert er denn auch bisweilen auf "Becoming a Jackal", außerdem an Josh Rouse und Jeff Buckley. Obersts Leidensmiene steht auch O'Brien gut. "My Love is selfish", behauptet er in "The Meaning o the Ritual", "I'm leaving", droht er in "Set the Tigers free". Das Herz, der Schmerz und all das, was dazugehört. Beim sensiblen Jüngling O'Brien führt das Leiden am Ich und am Du zu metaphorischen Verwandlungen: Wer verzweifelt liebt, wird zum Schakal. Auch sonst sind die Texte des Dramatikers O'Brien nicht wirklich kindertauglich. Dunkle, drohende Fantasien ("I saw the Dead") und Sorgen um die Einheit des eigenen Selbst ("Pieces"): Die Platte ist ein Höllenritt.

Ein Höllenritt muss auch die erste Karriere des Darmstädter Musikers Nosie Katzmann gewesen sein. Katzmann war mal, es ist erst knapp zwei Jahrzehnte her und fühlt sich an wie Äonen von Jahren, der Songwriter hinter Eurodance-Projekten wie Culture Beat und Captain Hollywood. Aber kaum zu glauben: Der Meister aus Hessen ist ein leidenschaftlicher Akustik-Klampfer. Die Hits für andere hat er ursprünglich als klassische Folk-Arrangements geschrieben, und so hat er sie bereits auf seinem Debüt "Greatest Hits 1" eingespielt. Damals wusste er schon, dass er noch mehr auf Lager hat. Deshalb folgt nun die zweite Lieferung mit überraschend luziden Songs. Katzmann hat Bilder von sich als Gitarrenmann noch und nöcher im Booklet untergebracht. Als gelte es, den Teufel auszutreiben, der da Dance-Music heißt. Die Romantik seiner Biografie findet sich im frühen Misserfolg, wie er sie in den Liner Notes zu "All I want" beschreibt: "Es gab mal eine Zeit in meinem Leben, in der mich niemand beruflich anrief." Es ist ja dann noch mal alles gut gegangen, gleich zweimal. Wobei der klassische Katzmann besser ist.

Johnny Flynn Been listening (Cooperative)

Villagers Becoming a Jackal (Domino)

Nosie Katzmann Greatest Hits 2 (Gim Records)