Für keine andere Stadt schuf Oskar Kokoschka so viele Grafiken wie für Hamburg. In der Handelskammer sind sie jetzt komplett zu sehen.

Hamburg. Mitte Februar 1926 besuchte Oskar Kokoschka zum ersten Mal Hamburg. Er bezog ein Zimmer im Hotel Vier Jahreszeiten und malte vom Fenster aus einen Blick auf den Jungfernstieg und die Binnenalster, deren Wasserfläche in hellem Blau leuchtet. Dieses Bild, das sich in Privatbesitz befindet, war der frühe Auftakt zu Kokoschkas intensiver Beschäftigung mit Hamburger Motiven, die freilich erst 1951 so richtig in Schwung kam. Damals reiste der schon weltberühmte Künstler auf Einladung von Kunsthallen-Direktor Carl Georg Heise nach Hamburg, um Bürgermeister Max Brauer zu porträtieren. Im selben Jahr malte er vom Tropeninstitut an der Bernhard-Nocht-Straße aus eine Hafenansicht, die sich heute im New Yorker Museum of Modern Art befindet. 1958 folgte das berühmte Hamburg-Panorama mit den Türmen von St. Nikolai und St. Michaelis, das Kokoschka im Auftrag von Axel Springer im 13. Stock des Verlagshauses malte. 1974 schuf er schließlich für die Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern und für das Mahnmal St. Nikolai das Mosaik "Ecce homines".

Doch weit stärker als in seiner Malerei oder mit Mosaiken hat Kokoschka sich als Grafiker mit Hamburg auseinandergesetzt. Von 1951 bis 1976 schuf er fast 100 druckgrafische Blätter, die jetzt in der Handelskammer erstmals komplett zu sehen sind.

"Oskar Kokoschka - Druckgrafik für Hamburg" heißt die Ausstellung, die der Kokoschka-Freund und -Biograf Heinz Spielmann aus Anlass des 30. Todestages konzipiert und gestaltet hat. "Es ist ein eigener Schlag, eine eigene Kultur. Es sind also nicht die Hamburger, die dieser Stadt das Gepräge geben, sondern die Stadt macht Hamburger", sagte Kokoschka, dessen enge Beziehung zur Hansestadt sich vor allem auf Freundschaften gründete. "Kein anderer großer Künstler des 20. Jahrhunderts stand Hamburg so nahe wie Oskar Kokoschka. Die Hansestadt nimmt unter den Orten, mit denen der große Maler über Jahrzehnte hinweg in enger Verbindung stand, neben London einen ersten Platz ein. Hier lebte eine Reihe enger Freunde, hier bestanden und bestehen wichtige öffentliche wie private Sammlungen seiner Werke. Die vielfältigen Bezüge spiegeln sich unter anderem in den Arbeiten, die Hamburger Museen und Kirchen, die Universität und das Verlagshaus Axel Springer besitzen, und nicht zuletzt in der für und in Hamburg edierten Druckgrafik", schreiben Handelskammer-Präses Frank Horch und der frühere Museumsdirektor Heinz Spielmann im Vorwort zum Katalog.

Dieser sehr persönliche Bezug wird in der Ausstellung immer wieder deutlich, etwa bei den Lithografien, die Kokoschka 1975/76 zu der Erzählung "Einstein überquert die Elbe bei Hamburg" von Siegfried Lenz gestaltete. Nachdem der Maler die "Deutschstunde" gelesen und sich begeistert geäußert hatte, vermittelte Heinz Spielmann eine Begegnung mit Lenz, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte. Schließlich fragte Albrecht Knaus, der damalige Chef des Hoffmann und Campe Verlags, ob Kokoschka die Einstein-Erzählung illustrieren wolle. Der Künstler sagte zu und schuf den Zyklus, ohne dass Lenz davon wusste.

Erstmals zu sehen waren die Blätter 1976 in einer Ausstellung zu Kokoschkas 90. Geburtstag, die in der damaligen Hamburg-Vertretung in Bonn gezeigt wurde und zu der Siegfried Lenz die Festrede hielt.

1959 schuf Kokoschka erstmals Grafiken für die Griffelkunst-Vereinigung und für den Hamburger Kunstverein. Dafür verwendete er zum Teil Skizzen, die zuvor beim Besuch des Museums für Kunst und Gewerbe entstanden waren. Aber auch Hafenmotive waren für ihn ein reizvolles Thema, wie das im Auftrag des Bankiers und Sammlers Wilhelm Reinhold 1961 von einem Kran der Stülcken-Werft aus gemalte Panorama belegt. Von dieser Hafenansicht entstand nicht nur eine kleinere Fassung, sondern auch eine Lithografie für die Mitglieder der Hamburger Griffelkunst-Vereinigung. Die erhöhte Position in der Arbeitskabine eines Kranes war für Kokoschka zu dieser Zeit typisch. Als Soldat in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs hatte er sich vorgenommen, europäische Städte künftig nur noch von den höchsten Standorten aus zu malen. In Hamburg konnte er damit beginnen, später folgten entsprechende Stadtansichten von New York, London und Istanbul.

Handelskammer, Adolphsplatz 1, bis 3. September, Mo-Do 9-17, Fr 9-16 Uhr, Eintritt frei. Infos im Internet unter www.hk24.de/kultur