Sängerin Nikki Yanofsky gibt in Hamburg ihr Deutschland-Debüt

Hamburg. Fräuleinwunder? Nein, das hier ist ein klarer Fall von Mädchenwunder. Nikki Yanofsky ist 16, trägt ein niedliches weißes Unschuldsstrickkleid und blaue Turnschuhe und weiß auf der Bühne nur eins noch nicht: Wie man sich als angehende Starsängerin mondän von den Fans verabschiedet. Sie wackelt lustig mit dem Körper, winkt verlegen und trippelt dann im Sauseschritt von der Bühne. Aber solange die Musik ihrer netten Begleitband spielt und Nikki Yanofsky was zu singen hat, ist die kleine Person aus Montreal eine ziemliche Wucht. So sehen das auch Quincy Jones und Tony Bennett. Und die sind lange genug im Geschäft, um nicht jede neue Mücke hinterm Mikrofon als das nächste große Ding hinauszuposaunen.

Seit Nikki Yanofsky im Spielgruppenalter erstmals "A Tisket, A Tasket" von Ella Fitzgerald hörte, stand ihr Berufswunsch fest: "Ich wollte nie mehr was anderes werden als Sängerin." Mit richtigem Gesangsunterricht hat sie erst vor zwei Jahren begonnen, alles zuvor brachte sie sich übers Hören und Nachsingen bei.

Das merkt man auch. Nikki Yanofsky ist ein riesiges Naturtalent. Bei ihrem Showcase im Stage Club sang sie nicht einen einzigen schiefen Ton. Sie atmet richtig, phrasiert mit Drive, kann virtuos mit dem Tempo spielen, auch ihr Timing ist untrüglich. Natürlich ist sie sehr hübsch, aber keine Lolita. Die Mutter ist bei jedem Konzert, bei jedem Interview dabei. Sie muss ihr Kind, das so unaufhaltsam hinausdrängt in die Welt, beschützen. Vor schrägen Möchtegernsugardaddies, und vor sich selbst.

Das Mädchen verbringt nur noch ein Drittel seiner Schulzeit in der Schule, schreibt trotzdem überall nur Einser und strahlt im Gespräch wie auf der Bühne Lebensfreude aus, unbändige Energie, Ehrgeiz und Ernsthaftigkeit. "Ich will immer besser werden. Üben, Noten lesen und schreiben lernen." Lass es doch ein bisschen langsamer angehen, will man ihr raten. Aber den Raketenmotor in ihr befeuert sie selbst. Wer wollte den abwürgen?

Ihre erste Platte "Nikki", die bei uns Ende September erscheint (Universal), steht in Kanada in den Popcharts auf Platz fünf und in den Jazzcharts auf Platz eins. Das Album ist die erste Bilanz einer erstaunlichen Kinderkarriere. Mit zehn Jahren sang die Kleine in Papas Garagenband Coverversionen von Steely Dan, mit zwölf eröffnete sie das Jazzfestival von Montreal. Vor ihrer Stippvisite in Hamburg gastierte Nikki Yanofsky auf dem North Sea Jazz Festival, auch die Festivals in Italien, Frankreich und Spanien reißen sich um sie.

Noch ist ihr Repertoire ein unbekümmerter Mix aus Standards wie "On The Sunny Side Of The Street" oder "Over The Rainbow" und eigenen Songs. Vor Billie Holidays "God Bless The Child", dem selbst gestandene Sängerinnen sich meist nur auf Knien nähern, hat sie nur wenig Ehrfurcht. "Ich singe das Lied ganz anders. Ich gebe ihm Zuversicht", sagt Nikki Yanofsky. Und macht für einen Moment glauben, dramatisch begabte Kinder wie sie könnten die schöne, wunde Seele des Jazz heilen von all den Geschichten über Schufte und gebrochene Herzen und himmelschreiende Ungerechtigkeit.