Der NDR dreht derzeit in Hamburg für das Kinderfernsehen die neue KiKa-Serie “Eine Möhre für Zwei“, ein Ableger der guten alten “Sesamstraße“.

Hamburg. Es liegt nicht nur am Gedränge, dass einem in der kleinen Werkstatt die Luft wegbleibt. Blaue Schwaden wehen um gut 15 Köpfe und jede Menge Gerätschaften, es riecht nach verbranntem Gummi. Durch die Speichen zweier Fahrradfelgen hindurch - sie treiben über Schläuche eine Eierköpfmaschine an - fällt der Blick auf zwei Monitore, die in Kniehöhe unter der Werkbank stehen. Davor kauern zwei Männer und eine Frau auf Sitzen, die aussehen, als stammten sie von Cruise-Motorrädern: Die schmalen gepolsterten Rücklehnen stehen schräg nach hinten, die Sitzflächen sind knapp über dem Boden, damit die Köpfe der drei hinter der Werkbank nicht zu sehen sind. Genau dort steht nämlich die Kamera.

Die Männer strecken den rechten Arm senkrecht in die Luft und stoßen hin und wieder seltsam gepresste, hohe Laute aus. "Ooh!", rufen sie und dehnen dabei den Buchstaben, oder "Toll!" und bewegen dazu die Finger. Die drei Puppenspieler hauchen den beiden Hauptfiguren der neuen KiKa-Serie "Eine Möhre für Zwei" des NDR Leben ein: Pferd und Wolle, das Schaf, heißen die Figuren, die wir aus der guten alten "Sesamstraße" kennen, und von der Riesenmöhre aus, die sie in einem Hamburger Hinterhof bewohnen, brechen sie zu allerhand Abenteuern in die Stadt auf.

Für den dritten Drehtag hat sich das Team die Stadtteilwerkstatt St. Pauli als Location ausgesucht: Pferd und Wolle besuchen den Erfinder Professor Schlotter, gespielt Herbert Feuerstein, und dem ist gerade mal wieder sein Modellflugzeug abgeschmiert. Charlie Kaiser, die dritte Puppenspielerin, ist für das Hinterteil des Pferdes da. Wenn nur Pferds Kopf zu sehen ist, hat sie Pause und massiert ihren Kollegen die schmerzenden Oberarmmuskeln. "Der Arm knickt an der Schulter ab, und dadurch wird die Blutzufuhr eingeschränkt", erklärt sie. "Das merkt man gar nicht, solange man spielt, weil man sich so konzentriert. Immer erst hinterher." Hinterher ist allerdings ziemlich oft. Bestimmt ein Dutzend Mal filmt das Team die kleine Sequenz von etwa 45 Sekunden aus immer neuen Blickwinkeln, im Detail und in der Totalen. Das passt zum Thema der heutigen Folge: "Damit umgehen, dass etwas nicht sofort klappt", steht auf dem Drehbuch.

Jede der zunächst 26 zwölfminütigen Folgen soll sich mit einem bestimmten Thema aus der Lebenswelt der drei- bis siebenjährigen Kinder befassen, an die sich die Serie wendet: Mal geht es um Angst im Dunkeln, mal um gerechtes Teilen oder um Heimweh. Dafür hat der NDR Schauspieler wie Wolke Hegenbarth, Axel Prahl und Peter Lohmeyer verpflichtet; zum weiteren Puppenpersonal gehören die Schnecke Finchen aus der Sesamstraße, ein grüner Wolf und drei verrückte Hühner.

Bis Ende Juli zieht das 32-köpfige Team noch durch Hamburg. Der logistische Aufwand ist enorm: 98 Komparsen sind dabei, gedreht wird an 26 Orten, von der "Cap San Diego" bis zur Kunsthalle. Immer wieder fallen Regisseur Dirk Nabersberg Details auf, die noch plastischer machen können, worum es geht: Wie schnell soll sich Feuerstein umdrehen, wie lange soll die Kamera die Flecken auf seinem schon lange nicht mehr weißen Laborkittel zeigen? "Unterhaltung funktioniert nur, wenn die Sachen verständlich sind", sagt Nabersberg in der Mittagspause zwischen zwei Tellern Pasta. "Ich stelle mich immer wieder neben mich. Ich bin ja ganz tief im Stoff drin, aber der Zuschauer sieht die Szene nur einmal." Dafür brauche man kein Kinderexperte zu sein: "Man muss einfach für Gefühle offen sein. Aber schön ist es schon, wenn das kindliche Gemüt bedient wird." Herbert Feuerstein scheint es ebenso zu gehen. Auch in der Drehpause ist es schwer zu sagen, wen man vor sich hat, den Schauspieler oder seine Figur. Er verzieht keine Miene hinter seiner Hornbrille. Seinen Kittel hat er abgelegt, aber die Haare stehen immer noch in alle Richtungen, die Nase zieren Rußspuren.

Im echten Leben ist der 73-Jährige schon so einiges gewesen: Journalist und ganz besonders Chefredakteur des deutschsprachigen "MAD"-Magazins, Kabarettist, Harald-Schmidt-Sidekick, Entertainer - nur nicht Erfinder. "Wäre ich aber gerne, was Computer betrifft. Ich gehöre zu der Generation, die gegen ein Gerät tritt, wenn es nicht funktioniert", sagt er. "Erfunden habe ich immer nur Ausreden."

Eine Möhre für Zwei wird ab dem 23. Oktober im Programm zu sehen sein, täglich 18.40, KiKa