Die Verschlossene Auster der Tagung netzwerk recherche ging an die katholische Kirche

Hamburg. Kontroversen seien ausdrücklich erwünscht - dieses Anliegen hatte Netzwerk-recherche-Gastgeber Kuno Haberbusch (NDR) Zuhörern und Referenten zum Auftakt mit auf den Weg gegeben. Geholfen hat es nicht viel. Auf den meisten Podien herrschte beim zweitägigen Journalistentreffen in Lokstedt traute Einigkeit. Zumindest höflicher gegenseitiger Respekt.

Das mochte zum einen an den Temperaturen liegen. Zum anderen daran, dass streitbare Diskutanten gar nicht erst angereist waren, etwa Vertreter der Zeitschrift "Bunte" für das Gespräch "Schnüffeln, Spitzeln, Spionieren: Boulevard-Recherche ohne Grenzen". Oder der omnipräsente Medienexperte Jo Groebel, den "taz"-Redakteur Steffen Grimberg zu ebendieser Funktion befragen wollte.

Gelohnt hat sie sich trotzdem, die Tagung - wie eigentlich jedes Jahr. Und sei es nur aufgrund der bewegenden Laudatio, die Heribert Prantl, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" bei der Vergabe der Verschlossenen Auster für den "Informationsblockierer des Jahres" hielt. Preisträger ist die katholische Kirche für die zögerliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Eine Kirche, "deren Selbstmitleid größer ist als das Mitleid mit den Opfern", so Prantl. Ungewöhnlich für die Vergabe des Negativpreises, bei dem die Ausgezeichneten regelmäßig durch Abwesenheit glänzen: Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, nahm die Auster nach einer Replik auf Prantls rund halbstündige Rede persönlich in Empfang.

Es gefiel zudem die kluge Rede von Publizistin Carolin Emcke zur "Lage des Journalismus", die sich, in Zeiten der Globalisierung, ausdrücklich gegen einen Journalismus des Bescheidwissens, Allesdurchschauens, Alles-erklären-Könnens aussprach. "Ich wünsche mir einen Journalismus, der fragend und zweifelnd daherkommt und nicht besserwisserisch", so Emcke.

Ex-"Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust berichtete im Gespräch mit Abendblatt-Medienautor Kai-Hinrich Renner, dass es für sein Magazinprojekt "Woche" einen Zeitplan gebe. Dieses Projekt will er nun unter dem Dach des Nachrichtensenders N24 weiterverfolgen, den er zusammen mit mehreren Mitstreitern im Juni erworben hatte. Überhaupt waren sie alle gekommen: Austs Nachfolger Georg Mascolo, NDR-Intendant Lutz Marmor, ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut, Moderatorin Maybrit Illner.

Und richtig zur Sache ging es zumindest auf einem Podium. Zu der Fragestellung "Schönschreiber in der Kritik: Biegen sich Starreporter die Wirklichkeit zurecht?" duellierte sich Claudius Seidl, Feuilletonchef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", aufs Schönste und Gemeinste mit "Spiegel"-Ressortleiter Cordt Schnibben und Autor Michael Jürgs.