Nach vier Jahren haben die Scissor Sisters endlich ihr drittes Album veröffentlicht - mit schnellen Beats für schweißtreibende Klubnächte.

Hamburg. Es fehlte an Inspiration. Und die Zeit lief ihnen langsam davon. Mit Hochdruck arbeiteten die Scissor Sisters bereits 2007 an ihrem dritten Album, doch niemand in der Band war mit den Ergebnissen zufrieden. "Irgendwie waren die Songs bedeutungslos, und wir wussten eigentlich auch nicht, was wir damit eigentlich zum Ausdruck bringen wollten", sagt Jake Shears. Erst als der Sänger eine dreimonatige Auszeit nahm und sich im vergangenen Jahr in einer Wohnung in Berlin-Kreuzberg einquartierte, kam der Umschwung. Shears verbrachte seine Nächte im Berghain, jenem Berliner Club mit der verruchten Aura, und trieb sich auf Hardcore-Schwulen-Parties herum.

Eines Abends auf der Tanzfläche war sie plötzlich da, die zündende Idee. "Was würde passieren, wenn ich 1984 in New York landen würde? In der Clubszene der 70er- und 80er-Jahre war so viel Energie. Doch dann kam AIDS. Die Party in New York hätte kein dramatischeres Ende nehmen können. Eine ganze Generation war mit einem Mal ausgelöscht", erinnert sich Shears. Hier setzt die Idee von "Night Work" an. Die Scissor Sisters wollten ein Album machen, das an die große Zeit des Disco-Pop anknüpft.

Mit dem Titelsong des bei Universal Music erschienenen Albums wird gleich klar, wohin die Reise geht: mit einem schnellen und stampfenden Beat mitten hinein in die glitzernde Welt der Discokugeln, der coolen Drinks und der von Schweiß glänzenden halbnackten Körper, die auf der Tanzfläche zucken. Die Bee Gees lassen grüßen, wenn die Scissor Sisters mit hohen Kastratenstimmen die Songs vorantreiben. "Night Work" ist die Fortsetzung von "Saturday Night Fever" in einer düsteren Variante.

"Running Out" zum Beispiel ist ein Song über den Hang des Menschen zur Selbstzerstörung, "über abgebrannte Kids im Club, die den Boden nach Drogen absuchen", beschreibt Jake Shears die Idee hinter dem Song. "Sex And Violence" ist von Bret Easton Ellis' amoralischer Romanorgie "American Psycho" beeinflusst, "eine Art elektronisches Mord-und-Totschlag-Lied" nennt Shears die an Bronski Beat erinnernde Nummer. Viele Songs, wie etwa "Harder You Get" strotzen vor sexuellen Anspielungen. Grenzüberschreitungen in jeder Hinsicht sind ein fast durchgängiges Thema von "Night Work".

Mit seinem dritten Album nach dem Debüt (2004) und "Ta-dah" (2006) hat sich das New Yorker Quintett konsequent in Richtung Disco entwickelt. Balladen gibt es nicht mehr. Dieses Album ist für den Club gemacht, für den immerwährenden Tanz auf dem Vulkan, es zelebriert den Hedonismus und hat mit "Invisible Light" einen grandiosen Schlusspunkt inklusive eines Monologs, den der britische Schauspieler Sir Ian McKellen über den pulsierenden Beat spricht. Was Jake Shears über "Invisible Lights" sagt, bringt das ganze Album auf den Punkt: "Es ist der Moment, wenn du im Club stehst und vollkommen high bist und du mit einem Mal das Gefühl hast, dass du von diesem Trip im Leben nie wieder runterkommen wirst."