Das vielköpfige kanadische Kollektiv Broken Social Scene aus Toronto gab ein wahrlich gewaltiges Rockkonzert im Uebel & Gefährlich.

Hamburg. Man hatte schon allerhand gehört über die dionysischen Konzerte der kanadischen Musikgruppe Broken Social Scene. Ihre Maßlosigkeit und funkensprühende Spielfreude war dann tatsächlich eine Offenbarung. Apropos Spielfreude: Dem das Holland-Trikot tragenden Techniker, der den satten Sound Broken Social Scenes aussteuerte, sei Dank: Das Halbfinalspiel der Fußball-WM lief auf einem schmalen Laptop am Mischpult. Es standen viele große Jungs da, die sich von der Vorband Here We Go Magic nicht stören ließen. Die großen Jungs waren wohl von den in erstaunlich großer Zahl anwesenden Damen ins Uebel & Gefährlich geschleppt worden. Überraschend, weil der Indierock der Truppe aus Toronto jungensmäßig anmutet.

So viel zu rezeptionsverbundenen Klischees. Sie taugen am Ende ja doch nichts, weil die in ihrem heiligen Ernst immer selbstironisierten Rocker-Gesten vielleicht gerade anziehend wirken. "Schwanzrock" jedenfalls, immer angezeigt durch die Metal-Semiotik oder selbstverliebtes Gniedeln mit der Gitarre im Anschlag, wird auf der Broken-Social-Scene-Bühne gleichermaßen zelebriert und als solcher augenzwinkernd gekennzeichnet. Wer den Rock in seiner urwüchsigen Wild- und Zartheit liebt, der steht an einem Sommerabend auch mal in einem düsteren Bunker herum.

Broken Social Scene jedenfalls konnte nicht lange genug im Uebel & Gefährlich bleiben: Um halb eins in der Nacht, nach einem muskulösen Set und unendlichem Spaß, standen die Musiker immer noch auf der Bühne. Es war Kevin Drew, der nach dem famos hingelegten Instrumental "Meet me in the Basement" zum großen Jam lud: Da standen dann 15 Leute auf der Bühne. Sogar Midlake-Musiker wurden gesichtet, die Texaner spielen bekanntlich heute Abend zusammen mit The National im Stadtpark. Den beeindruckenden Gitarrensound, den die Kanadier fabrizieren, konnte die Jam-Session allerdings nicht mehr toppen: Es sind vier Gitarristen, die Songs wie "Cause=Time" zu gewaltigen Erlebnissen machen. Dabei sind die musikalischen Vorlieben der Musiker verschieden. Brendan Canning, der Indie-Veteran, schätzt hin und wieder mal ein softes Tanzlied, und weil er es mit Mehrfachbegabungen zu tun hat, kann er aus der Reihe seiner Kombattanten flugs einen Trompeter und einen Saxofonisten zaubern. Und ganz zum Schluss darf der Roadie mitspielen.

Mittlerweile ist bei der Band sogar Stadionrock erlaubt. Für die intimen Momente ist Lisa Lobsinger zuständig, sie ist die ätherisch singende Dame, die in die testosteronstrotzende Männerriege hineinschwebt. Die sanft gehauchten Stücke "All to All" und "Anthem for a Seventeen Year Old Girl" sind allerliebst.